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EU will Asylverfahren fairer machen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Rückführungen nicht automatisch. | Arbeitserlaubnis nach sechs Monaten. | Brüssel. Ein gemeinsames EU-Asyl-System nimmt nur ganz langsam Konturen an. Noch immer sind die Chancen von Asylwerbern, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, in den verschiedenen Mitgliedsstaaten ganz unterschiedlich. Binnenländer wie Österreich, die an sich sehr hohe Anerkennungsraten haben, schieben die Asylwerber grundsätzlich auch in wesentlich strengere EU-Staaten ab. Das ist vom EU-Recht gedeckt. Justiz- und Innenkommissar Jacques Barrot will die entsprechenden EU-Gesetze jetzt aber nachjustieren, um diese automatischen Rücküberstellungen zu begrenzen und einheitlich bessere Minimalstandards für die Lebensbedingungen der Flüchtlinge zu schaffen.


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Als nächsten Schritt plant er für das Frühjahr 2009 die Einrichtung eines EU-Büros für einheitliche Risikoanalysen über die Herkunftsländer der Flüchtlinge, die als Basis für die Anerkennung der Asylanträge dienen sollen.

Denn heute werden die Gefahren in den Herkunftsländern völlig unterschiedlich beurteilt. So bekämen etwa 72 Prozent der Tschetschenen in Österreich Asyl, sagte Barrot. In der Slowakei seien es null Prozent. Ähnlich verhalte es sich mit Irakern: 71 Prozent Chance in Österreich, keine in Griechenland. Und laut der so genannten Dublin II-Verordnung ist jenes EU-Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, in dem der Asylwerber das erste Mal den Boden der Union betritt. Dort wird er per Fingerabdruck in der Eurodac-Datenbank registriert, nach der die anderen Mitgliedsstaaten das Eintrittsland feststellen können.

Ausnahmen für die Rücküberstellung gibt es nur für Personen mit besonderer Traumatisierung - was recht streng ausgelegt wird -, nahestehenden Familienangehörigen im Land oder für unbegleitete Minderjährige. Zusätzlich soll die Rücküberstellung künftig ausgesetzt werden, wenn die Ersteintrittsländer gerade einem besonders massiven Flüchtlingsansturm ausgesetzt sind oder den Asylwerbern "kein angemessener Schutz, insbesondere im Hinblick auf Aufnahmebedingungen und Zugang zum Asylverfahren" geboten werden kann.

Noch gut in Erinnerung sind die Bilder von irakischen Flüchtlingen in völlig überlaufenen Auffanglagern in Griechenland im Frühjahr, wo beide neuen Bedingungen zugetroffen hätten. Nach scharfer Kritik des UNHCR an den untragbaren Lebensbedingungen und schweren Verfahrensmängeln hatten einige Länder wie Norwegen, Schweden und Belgien die Rücküberstellungen auch eingestellt. Der damalige österreichische Innenminister Günter Platter winkte dagegen ab, weil es ohnehin nicht so viele Fälle gegeben habe. Die griechischen Behörden bieten Irakern indes bis heute nicht einmal Abschiebeschutz, beklagt Human Rights Watch.

Um die Wartezeit der potentiellen Flüchtlinge erträglicher zu machen und aus der Kriminalität herauszuhalten, sollen sie spätestens nach sechs Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten, schlägt die EU-Kommission darüber hinaus vor. Schubhaft soll nur mehr "ausnahmsweise" verhängt werden dürfen und für unbegleitete Minderjährige ganz verboten sein. Familienzusammenführungen sollen erleichtert werden.

Diesen Plänen, die der europäische Dachverband der Flüchtlingshilfsorganisationen als "vielversprechenden Start" bezeichnete, müssten jetzt noch die EU-Innenminister zustimmen. Die Zahl der Asylwerber in der EU ist laut Kommission zwischen 2000 und 2007 von 400.000 auf 220.000 zurückgegangen.