Energielieferungen und Marktzugang gefordert. | Menschenrechte sollen auf der Agenda bleiben. | Lahti. Die EU-Staats- und Regierungschefs absolvierten am Freitag einen entscheidenden Probelauf für künftige Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Denn mittelfristig braucht die EU dringend Energieversorgungs- und Rechtssicherheit für westliche Investitionen in Russland. Die Energiekrise mit der Ukraine zu Jahresbeginn sei ein "Weckruf" gewesen, sagte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.
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Die EU müsse Putin gegenüber deutlich machen, "dass wir Sicherheit in Verträgen bieten und das gleiche auch von Russland erwarten", erklärte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der finnische Premier und Ratsvorsitzende Matti Vanhanen wollte auch den Mord an der regierungskritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja und die Lage in Georgien ansprechen.
Ein Erfolg sei das Treffen, wenn Putin klar von der Einigkeit der EU überzeugt werden könne, hieß es in Diplomatenkreisen. Dem russischen Präsidenten müsse klar gemacht werden, dass es auch in Fragen der regionalen Stabilität und Pressefreiheit Bedenken der Union gebe, was in den ab Ende November anstehenden Verhandlungen für ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen eine Rolle spielen werde. Und so feilten die EU-Spitzen noch beim Mittagessen an einer Feinabstimmung der Wortmeldungen gegenüber Putin.
Energie als Politikum
Denn der gilt als harter Gegner. Seit Jahren weigert sich Russland, die Europäische Energiecharta und das Transitprotokoll umzusetzen, das den reibungslosen Transit von Öl und Gas von Zentralasien nach Europa garantieren sollte. Die bereits 1994 von Moskau unterzeichnete Charta sollte verhindern, dass Energie als politisches Druckmittel eingesetzt wird. Genau das praktiziert Russland aber massiv.
Während der russische Energie-Multi Gazprom etwa in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien bereits lukrative Geschäfte macht, werden ausländischen Investoren in Russland Prügel zwischen die Beine geworfen. Erst vor einem Monat wurde einem internationalen Konsortium unter Führung von Shell wegen angeblicher Verletzung von Umweltauflagen die Lizenz für ein riesiges Förderprojekt auf der Pazifikinsel Sachalin entzogen. Experten sprechen von einem "asymmetrischen Verhältnis" des gegenseitigen Marktzuganges.
Geradezu unmöglich scheine derzeit auch, den im neuen Abkommen mit Russland angestrebten "Gemeinsamen Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts" zu erreichen. Der Mord an Politkowskaja ist nur der am meisten Aufsehen erregende Fall in einer Serie von mutmaßlichen Auftragsmorden an Journalisten und Bankern. Erst am Donnerstag mussten fast hundert Nichtregierungsorganisationen - darunter amnesty international und Human Rights Watch - ihre Tätigkeit in Russland einstellen. Ihre Registrierung habe laut Justizministerium nicht fristgerecht abgeschlossen werden können.
Schon warnte der Präsident des EU-Parlaments, Josep Borrell, die EU dürfe Menschenrechte nicht für Öl und Gas verkaufen.