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EU will Energieriesen zerschlagen

Von Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Preise zu hoch, Versorgung unsicher. | VEÖ: "Müssen uns nichts vorwerfen". | Berlin/Brüssel. Die Geduld der EU-Kommission ist zu Ende. Der Binnenmarkt für Energie "funktioniert - diplomatisch ausgedrückt - nicht zufrieden stellend", erklärte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes gestern, Mittwoch. Deshalb verlange Brüssel "als erste Präferenz" die komplette Aufspaltung von Energiekonzernen, die neben der Produktion und dem Vertrieb auch noch die Übertragungsnetze besitzen, erklärte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Neben dieser Priorität, die dem verpflichtenden Verkauf der Fernleitungen und großen Verteilernetze entsprechen würde, könnten diese auch von "unabhängigen Systemoperatoren" betrieben werden. In der Endversion der Kommissionsmitteilung "Eine Energiestrategie für Europa" liest sich die Passage zu dieser so genannten Entbündelung der Konzerne etwas differenzierter: Die beiden Optionen stehen gleichwertig nebeneinander zur Auswahl. Die Zwangsverkaufsvariante sei aber laut "wirtschaftlichen Beweisen das effektivste Mittel, um die Wahl für die Energiekonsumenten zu erleichtern und Investitionen anzuregen". Von den 1,3 Milliarden Euro Netznutzungsgebühren, die von 2001 bis 2005 eingenommen worden seien, sind lediglich 250 Millionen wieder in die Verbesserung der Leitungen investiert worden, rechnete Kroes vor.


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Bisherige Entbündelung reicht nicht aus

Klar ist lediglich, dass Brüssel die bisherige Entbündelungspraxis - nämlich die Netze schlicht an Töchter auszugliedern, wie das auch in Österreich der Fall ist - nicht mehr ausreicht. Die Strom- und Gaspreise seien weiterhin zu hoch weil Energiekonzerne wie die deutschen E.on und RWE, die französische EdF oder auch der österreichische Verbund weiterhin die Entgelte diktierten und Wettbewerb behinderten.

Österreichs Strombranche sieht das naturgemäß anders. "Die österreichische E-Wirtschaft hat sich keine Versäumnisse vorzuwerfen", erklärte VEÖ-Präsident Leo Windtner. Die Entbündelung nach bisherigem EU-Recht sei bereits erfolgt, der Netzzugang für Mitbewerber durch die Regulierungsbehörde E-Control garantiert, die über "umfassende Befugnisse" verfüge. Ein unabhängiger Systemoperator ist der größte heimische Netzbetreiber Austrian Power Grid AG, eine 100prozentige Verbund-Tochter, aber nach Brüsseler Lesart noch keineswegs. Selbst wenn die Mitgliedsstaaten am Frühjahrstreffen der EU-Staats- und Regierungschefs diese weniger drastische Variante wählten, bestünde Handlungsbedarf. Vor allem Frankreich wehrt sich aber vehement gegen jede Schwächung seiner Energiekonzerne.

20 Prozent weniger Treibhausgase bis 2020

In einem eigenen Strategiepapier zur Bekämpfung des Klimawandels empfiehlt die Kommission als EU-Ziel mindestens 20 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990. Daran soll sich die Union als Vorbild auch ohne neues Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll halten. Eigentlich wäre aber ein Minus von 30 Prozent der Emissionen aller Industrieländer notwendig, erklärte Umweltkommissar Stavros Dimas. Dazu wäre die EU auch bereit - wenn Verhandlungspartner wie die USA mitziehen sollten.

Schließlich betonte die Kommission erneut die Vorzüge der Atomenergie: Weniger Treibhausgase und eine Verminderung der Abhängigkeit Europas von Öl- und Gasimporten.