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Mehr Gewicht für Emissionshandel. | USA, Australien sollen an Bord. | Brüssel. Die EU will den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen und dafür eine Strategie "für die EU und die Welt bis 2020 und darüber hinaus" erarbeiten. Die Erwärmung der Atmosphäre müsse mit maximal zwei Grad Celsius beschränkt werden, heißt es in dem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Entwurf einer Kommissionsmitteilung, die am 10. Jänner vorgestellt werden soll.
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Über einige Kernfragen am Weg dorthin herrscht in der EU-Kommission aber noch Unstimmigkeit. Die Strategen von Umweltkommissar Stavros Dimas plädieren für ambitionierte minus 30 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990. Das sei als Vorstufe zu einem langfristigen Ziel der Emissionssenkungen der Industrieländer um 50 bis 80 Prozent bis 2050 geeignet. Die EU müsse eine Vorbildrolle einnehmen. Mitarbeiter von Industriekommissar Günter Verheugen halten das für überzogen. Ihnen gefallen Werte wie 15 oder 20 Prozent weniger bis 2020 besser. Vor allem müssten zumindest alle OSZE-Länder auf eine Linie gebracht werden, ganz zu schweigen von Emissionsschwergewichten wie die USA und Australien, die noch nicht einmal das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben. Dort ist die Senkung der Treibhausgase aller Vertragspartner um gut 5 Prozent bis 2012 gegenüber 1990 vorgesehen, um 8 Prozent für die EU. Boomende Industrienationen wie China oder Indien sind noch gar nicht erfasst.
Warnung vor totalem Marktzusammenbruch
Und dass die Klimaerwärmung stattfindet, ist kaum umstritten. Ohne einschneidende Maßnahmen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um fünf Grad Celsius ansteigen, warnt der frühere Weltbank-Ökonom Nicolas Stern in einer Studie für das britische Schatzamt. Neben Umwelt- und Flutkatastrophen drohe der "größte Marktzusammenbruch, den die Welt jemals gesehen hat."
Die Menschheit muss laut Stern mit Kosten in der Größenordnung von 5 bis 25 Prozent des gesamten Welt-Bruttoinlandsprodukts (BIP) rechnen - bis zu 5,5 Bio. Euro. Diese würden überproportional auf Kosten der Ärmsten gehen, und zwar sowohl in den Industrie-, als auch in den Entwicklungsländern. Für die Maßnahmen gegen den Klimawandel rechnet die EU-Kommission dagegen lediglich mit "ungefähr 0,5 Prozent des globalen BIP für die Zeit von 2013 bis 2030." Da sich das Welt-BIP bis 2030 gegenüber 2005 voraussichtlich verdopple, seien die erwarteten "nur 0,18 Prozent weniger Wachstum pro Jahr" zu Gunsten des Klimaschutzes nur "ein sehr kleiner Teil".
Zur Vermeidung von "unumkehrbaren Schäden" durch den Klimawandel will die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vorschlagen. So will die EU-Kommission 2007 einen Gesetzesvorschlag für die Stärkung des EU-Emissionshadelssystems vorlegen, das derzeit rund 45 Prozent der europäischen Kohlendioxidemissionen abdeckt. Darin sollen etwa die Zuteilungsmechanismen der Mitgliedsstaaten harmonisiert werden. Darüber hinaus könne die EU bis 2020 mindestens 20 Prozent ihres Energieverbrauchs durch Steigerung der Energieeffizienz einsparen, erneuerbare Energien sollen bis dahin einen Anteil am Energiemix der EU von 20 Prozent haben.
Ein Hauptaugenmerk will die Kommission auch auf die Emissionen im Transportsektor legen. Brüssel überlegt, noch dieses Jahr eine Richtlinie vorzuschlagen, die die Kfz-Industrie zur Erreichung des Ziels von 120g Kohlendioxid pro Kilometer verpflichten soll.
Optionen für globale Klimaschutzmodelle
Die vereinten Anstrengungen aller Industrieländer seien zwar eine Voraussetzung im Kampf gegen den Klimawandel, heißt es in dem Entwurf. Derzeit sind sie für rund 75 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Ihr uneingeschränktes Engagement in einem Post-Kyoto-Abkommen sei unbedingt nötig. Ein "Schlüsselinstrument" sei die Etablierung von "vergleichbaren innerstaatlichen Emissionshandelssystemen" auf Unternehmensbasis, wie das in der EU bereits vorhandene Schema. Das könnte eine Säule eines künftigen "Globalen Kohlenstoffmarktes" werden.
Bis 2020 werde aber mehr als 50 Prozent der Emissionen aus heutigen Schwellen- und Entwicklungsländern kommen. Daher überlegt die Kommission mehrere Optionen. Der bisherige Kyoto-Mechanismus für saubere Entwicklung (CDM) könnte auf ganze Industriezweige ausgeweitet werden. Mit dem CDM können sich Industrieländer bisher Investitionen in Treibhausgase reduzierende einzelne Projekte in Entwicklungsländern auf ihre eigenen Emissionsziele anrechnen lassen.
Darüber hinaus könnten globale oder nationale Emissionshandelssysteme außerhalb der EU für energieintensive Branchen geschaffen werden - etwa für die Aluminium- oder Stahlerzeugung. Länder, die "ein ähnliches Entwicklungsniveau" wie die Industrienationen erreicht hätten, sollten zu Zusagen zur Senkung ihrer Emissionen gebracht werden. Es sei aber "unrealistisch und unvernünftig, zu erwarten", heißt es in dem Entwurf, "dass sich Entwicklungsländer zum Handeln verpflichten, so lange Hauptemittenten wie die USA und Australien ihre Emissionen weiterhin auf eine alarmierende Höhe ansteigen lassen."
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