Zum Hauptinhalt springen

EU will Libyen-Route schließen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Flüchtlingen soll Weg über das zentrale Mittelmeer erschwert werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. Die Balkan-Route ist so gut wie geschlossen. Und bald soll dies auch für einen weiteren Weg gelten, den Flüchtlinge nehmen, um nach Europa zu gelangen. Denn während die Zahl der Ankünfte in Griechenland im Vorjahr deutlich zurückgegangen ist, sind in Italien nach Angaben der Grenzschutzagentur Frontex mehr als 181.000 Menschen angekommen. 90 Prozent der Migranten waren in Libyen losgefahren. So wurde der Weg über das zentrale Mittelmeer zu einer Hauptroute, nachdem die Grenzen in den Balkan- sowie EU-Staaten strenger kontrolliert wurden und das Abkommen der Union mit Ankara in Kraft getreten war. Die türkischen Behörden sollen Flüchtlinge von der Überfahrt nach Europa abhalten und Migranten ohne Anspruch auf Asyl in der EU wieder zurücknehmen.

Nach den Vorstellungen der EU sollen andere Länder diesem Beispiel folgen. "Nun ist es Zeit, die Route von Libyen nach Italien zu schließen", erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach einem Treffen mit dem libyschen Premier Fayez al-Sarraj in Brüssel. Welche Maßnahmen dazu nötig sind, wollen die Staats- und Regierungschefs der EU am heutigen Freitag bei einem informellen Gipfeltreffen unter Tusks Leitung in Valletta beraten. Malta hat derzeit den EU-Vorsitz inne und hat Migration zu einem seiner Themenschwerpunkte in diesem Halbjahr erklärt. Die Debatte können dann bereits am Montag die Außenminister der Union fortsetzen, die in Brüssel zusammenkommen.

Geld und Ausbildung

Doch ist jetzt schon klar, dass Libyen kein ähnliches Abkommen wie der Türkei angeboten werden kann. Zum einen machten die Europäer den Türken weitgehende Zugeständnisse wie eine Beschleunigung sowohl der EU-Beitrittsverhandlungen als auch des Prozesses zur Aufhebung der Visumspflicht bei Reisen in die Union - was im Fall Libyens nicht möglich ist. Zum anderen war es für die EU lange Zeit schwierig, in Libyen überhaupt Ansprechpartner zu finden: Das nordafrikanische Land ist seit dem Bürgerkrieg zerrissen und unterschiedliche Gruppen versuchen, ihren Einfluss auszuweiten. Zwar gibt es mittlerweile eine Regierung der nationalen Einheit, an deren Spitze al-Sarraj steht, doch ist es dieser noch nicht gelungen, die Kontrolle über weite Teile Libyens zu erlangen.

Dennoch will die EU die Kooperation mit den libyschen Behörden vertiefen. Und wie bei der Türkei gibt es auch für Libyen finanzielle Anreize. 100 Millionen Euro sollen dem Land zu Gute kommen. Doch wünscht sich die EU-Kommission, dass für die nordafrikanischen Staaten zumindest weitere 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Über den Afrika-Treuhandfonds könnten die EU-Mitgliedsländer die Mittel aufstocken, was allerdings Zusagen der Regierungen voraussetzt, die sich dann auch noch an ihre Versprechen halten müssten.

Konkrete Unterstützung gibt es dennoch bereits. Der EU-Marineeinsatz "Sophia", gestartet zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Waffenschmuggels, hat auch ein Mandat zum Training für libysche Grenzschützer erhalten. Insgesamt sollen mehrere hundert Beamte ausgebildet werden.

"Sophia" ist in den Gewässern vor Libyen unterwegs, außerdem kreuzen im Mittelmeer Schiffe im Rahmen von Frontex-Operationen. Sie trugen auch dazu bei, Menschen aus Seenot zu retten: Im Vorjahr waren es 110.532 Schutzsuchende. Doch mindestens 4699 Migranten starben oder sind vermisst, geht aus Daten von Frontex und UNHCR (UN-Flüchtlingshochkommissariat) hervor.

Umstrittene Auffanglager

Eine andere mögliche Maßnahme, um die Menschen an der Überfahrt zu hindern, ist hingegen umstritten: die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika, wohin die Schutzsuchenden gebracht werden und wo über ihren Asylantrag entschieden werden könnte. Solche Ideen haben schon vor einiger Zeit österreichische Regierungsvertreter lanciert, nun hat auch der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sie in die Debatte geworfen.

Beim Spitzentreffen in Malta wird dies aber wohl kaum auf der Agenda stehen. Diese Überlegungen seien "definitiv nicht reif für den Gipfel", hieß es aus dem Umfeld von Ratspräsident Tusk.

Heftige Kritik an dem Vorhaben kommt schon jetzt von Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl oder Amnesty International. Gerade in Libyen drohen Flüchtlingen "menschenunwürdige Zustände" in den Lagern.