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Kommission will Grenzkontrollen koordinieren. | Frankreich, Italien grundsätzlich dafür. | Brüssel. Der grenzenlose Schengenraum ermöglicht Reisen ohne Grenzkontrollen von Lissabon bis ins Baltikum. Die Außengrenzen müssen dafür besonders streng überwacht werden. | Europol sorgt sich um Südost-Grenze der Union
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Dieses Konzept bezeichnete Innenkommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch als "fantastische Errungenschaft für die Bürger der EU", die nicht aufgegeben werden dürfe. Doch gebe es "gewisse Schwächen" in der gegenwärtigen Handhabung des Schengen-Kodex, der seit einiger Zeit ein Bestandteil des EU-Rechts ist.
Um etwa die einseitige inoffizielle Einführung von Grenzkontrollen durch einzelne Mitgliedsländer künftig besser in den Griff zu bekommen, liebäugelt die Schwedin daher mit einer "möglichen Suspendierung" des Systems, die in "extremen Ausnahmefällen" auf EU-Ebene entschieden werden soll.
Diese Möglichkeit hat sie in ihrem neuen Strategiepapier zur Migration angedeutet. Konkrete Details dazu befinden sich darin aber noch nicht. Erst einmal sollen die EU-Innenminister sich damit bei einem Sondertreffen am 12. Mai beschäftigen. Eine mögliche Suspendierungsklausel könnte dann später eingeführt werden, so Malmström. Dafür wäre eine Änderung des EU-Rechts nötig. Ab Vorlage durch die Kommission dauert so ein Verfahren üblicherweise ein bis zwei Jahre. Die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer und das EU-Parlament müssten zustimmen. Weniger umstritten ist der Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Aktueller Anlassfall für die Diskussion sind die rund 30.000 illegal in Italien gelandeten Menschen aus Tunesien in Folge des arabischen Frühlings. Die italienischen Behörden haben den Großteil von ihnen mit vorübergehenden Aufenthaltsbewilligungen ausgestattet, welche sie unter bestimmten Umständen zur Weiterreise in den gesamten Schengenraum berechtigen. Als Ziel gilt vor allem Frankreich, das im Gegenzug de facto die Grenzkontrollen zu Italien wieder eingeführt hat. Beide fordern Schengen-Reformen.
Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betrachtet die Debatte mit gemischten Gefühlen: Sie befürwortet zwar anlassbezogene Grenzkontrollen, warnt aber vor "einem generellen Hochziehen der Grenzen". Denn schon bisher können Mitgliedsländer Grenzkontrollen wieder einführen, wenn Gefahr für die innere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung droht. Das war etwa bei den Fußball-EM 2008 in Österreich oder dem G8-Gipfel in Deutschland im Jahr davor der Fall. Auch in unvorhergesehenen Notfällen könnten die Grenzkontrollen schon nach geltendem Recht wieder eingeführt werden, wenn die Gründe dafür der Kommission im Nachhinein erklärt werden.
Dennoch steuert die EU offenbar auf eine Reform der Schengenregeln zu. Denn schon im Februar hatte auch Deutschland einen stufenweisen Aussetzungsmechanismus von EU-Seite angeregt, falls ein Land an der Außengrenze diese nicht mehr ausreichend überwachen kann. Anlass war damals der geplante Beitritt von Bulgarien und Rumänien.