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EU wirbt für mehr Arbeitslosengeld

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Unterstützung sollte von drei Monaten auf sechs Monate ausgeweitet werden.


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Brüssel. Viviane Reding kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Was manche Länder als "Sozialtourismus" bezeichnen, ist für die EU-Justizkommissarin lediglich mit innenpolitischen Motiven zu erklären. Dennoch muss sich auch ihr Büro mit dem Brief beschäftigen, den vier Staaten an sie und an Sozialkommissar Laszlo Andor geschickt haben. In dem Schreiben forderten Deutschland, Großbritannien, Österreich und die Niederlande Sanktionen gegen EU-Bürger aus anderen Ländern, die angeblich das Recht auf Niederlassung in der EU und vor allem die Sozialsysteme der Staaten missbrauchen. In Deutschland stehen im Herbst Wahlen an; in Großbritannien wächst die EU-Skepsis. Da passt das Schüren von Sorgen wegen möglicher Immigration manchen Gruppierungen durchaus ins Konzept.

Dabei, betont Reding, könne nur jemand staatliche Unterstützung bekommen, der auch in dem Land gearbeitet hat. Und ohne Gründe dürfe die Freizügigkeit, eines der Grundrechte der Union, nicht ausgehöhlt werden.

Die EU-Kommission selbst hat sowieso einen anderen Zugang: Sie möchte die Mobilität der Unionsbürger vielmehr fördern. Ob da einer der Vorschläge Redings dazu beitragen kann, die Bedenken einiger westeuropäischer Länder zu zerstreuen, bleibt freilich offen.

Heimatland soll zahlen

Im Rahmen eines nun präsentierten Aktionsplans zur Stärkung der Bürgerrechte will die Kommissarin die Zeitdauer verlängern, in der Jobsuchende in einem anderen Staat Arbeitslosenhilfe erhalten. Die Kosten dafür fallen aber nicht in dem Ziel- sondern im Heimatland an. So würde etwa ein Pole auf Jobsuche in Belgien Arbeitslosengeld aus Polen beziehen.

Bisher läuft so eine staatliche Unterstützung drei Monate; eine Ausweitung auf mindestens ein halbes Jahr wäre laut Brüssel wünschenswert. Das wäre eine Möglichkeit, die Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten auszugleichen: "In manchen Ländern gibt es Jobs, aber keine Arbeiter, und woanders gibt es Arbeitskräfte, aber keine Jobs", argumentiert Reding. Und fügt hinzu, dass Zuwanderung sich positiv auf die Wirtschaft eines Landes auswirken kann: Die EU-Staaten, die ihre Arbeitsmärkte öffneten, konnten durch die Migration ein zusätzliches Wachstum verzeichnen.

Eine Studie belegt dies mit Zahlen. Aus der Untersuchung aus dem Jahr 2011 über die Zuwanderung aus den jüngeren osteuropäischen Mitgliedstaaten geht hervor, dass die irische Wirtschaft in einem Zeitraum von fünf Jahren durch die Migration um drei Prozent angekurbelt wurde. In Großbritannien betrug das Wachstum 1,2 Prozent. Österreich hatte damals seinen Arbeitsmarkt mit Übergangsfristen für die neuen EU-Bürger abgeschottet.

Stolperstein Sparprogramm

Allerdings stammen die Zahlen noch aus den Jahren vor der Rezession. Und mittlerweile haben sich etliche Staaten Sparprogramme auferlegt, kürzen auch staatliche Hilfen. So wird Redings Vorschlag für längere Arbeitslosenunterstützung beispielsweise für Rumänien, das viele Jobsuchende verlassen, kaum realisierbar sein. Griechenland und Spanien könnte er wohl ebenfalls vor massive finanzielle Schwierigkeiten stellen - und andere gibt es dort schon genug. In diesen Ländern ist fast die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos.

Auch Österreich müsste sich umstellen. Den Anspruch auf Arbeitslosengeld gibt es da 20 Wochen lang.