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"EU wird um Türkei-Beitritt flehen"

Von Julia Schneidewind

Politik

Türkischer Wirtschaftsminister zürnt bei Wien-Besuch der EU.


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Wien. Der türkische Wirtschaftsminister Zafer Caglayan rechnet mit der EU ab: "Die EU ist seit 50 Jahren uns gegenüber unaufrichtig und heuchlerisch", zürnte der ehemalige Geschäftsmann während seines Wien-Besuchs. Aber: "Der Tag wird kommen, da wird man uns anflehen beizutreten." Doch am Ende entscheide die Türkei dies bekanntlich selber, sagte Caglayan gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Man müsse jedoch schauen, ob es die EU und den Euro zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gibt. "Die EU erntet, was sie gesät hat", kommentierte der Politiker die aktuelle Krise. "Wo war die EU, als Griechenland dieses Geld ausgegeben hat? Waren die auf Urlaub? Sonnenbaden?"

Auch bei einem Vortrag in der österreichischen Wirtschaftskammer vor Geschäftsleuten am Mittwoch sparte er nicht mit Kritik an der EU: "Mit uns hätte die Union ein Wachstum von 1,8 Prozent erzielt und nicht 1,5 Prozent."

Und auch mit Österreich zeigte sich der kurdischstämmige Politiker teilweise unversöhnlich: "Es macht mich sehr traurig, dass sich manche Minister in Österreich gegen den Beitritt der Türkei zur EU ausgesprochen haben", erklärte Caglayan. Er sei jedoch froh, dass sich die Sicht wandelt, denn "Österreich war 1924 das erste Land, mit dem wir ein wirtschaftliches Abkommen geschlossen haben."

Eigentlich war Caglayan nach Wien gekommen, um bei seinem Vortrag vor potenziellen österreichischen Investoren Werbung für die Türkei als Wirtschaftsstandort zu machen. Bei allem Zorn verlor der Minister dieses Ziel aber dann doch nicht ganz aus den Augen. Immerhin sei Österreich mit 2,3 Milliarden Euro heuer der zweitstärkste Investor im Land. Doch realistisch seien Investitionen von 12,2 Milliarden Euro. Denn ausruhen wolle man sich trotz steigendem Wachstum nicht: "Wir haben unsere Wirtschaft in der Krise weich landen lassen. Aber nicht, um zu parken, sondern, um zu tanken."