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EU-Ziele Bukarests in Gefahr

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Premier Ponta sichert EU-Kommission Achtung demokratischer Werte zu.


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Brüssel. Das Lächeln wich nur selten aus Victor Pontas Gesicht. Und es wurde noch breiter, als Martin Schulz ihn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz als Freund bezeichnete. Immerhin gehören beide, der rumänische Premier und der Präsident des EU-Parlaments, der gleichen Partei an. Treffen mit sozialdemokratischen Politikern waren denn auch die ersten, die Ponta bei seinem Brüssel-Besuch absolvierte. Danach stand er Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Rede und Antwort. Da musste er sich dann noch heftiger verteidigen.

Denn in der EU-Hauptstadt ist wieder viel von europäischen Werten die Rede. Und einmal mehr sind es in erster Linie Westeuropäer, die Osteuropäer zurechtweisen. Zuletzt hatte Ungarn mit umstrittenen Gesetzesänderungen für Empörung gesorgt. Nun ist es Rumänien. Dennoch wies Victor Ponta Vergleiche zwischen den Ereignissen in seinem Land mit den Aktionen der Regierung des ungarischen Premiers Viktor Orban zurück - auch "wenn Bukarest manchmal mit Budapest verwechselt wird".

In der rumänischen Hauptstadt gebe es laut Ponta derzeit lediglich einen politischen Machtkampf zweier Lager, in dem nun das Volk entscheiden solle: In einem Referendum stimmt es über den Verbleib des Staatspräsidenten ab. Doch gerade das Tempo sowie die Art und Weise, mit denen das Amtsenthebungs-Verfahren gegen Traian Basescu eingeleitet worden ist, sorgt in Brüssel - aber auch in Staaten wie Deutschland - für Kritik. So hat die EU-Kommission ihre Sorge über mögliche Einschränkungen der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts geäußert. Zwar zeigte sich Barroso zurückhaltend, doch Justizkommissarin Viviane Reding sah bereits "große Gefahren auf uns zukommen".

Sie ist es auch, die ein Druckmittel gegen Rumänien zur Verfügung hätte. Das Land steht nämlich - wie Bulgarien - seit seinem Beitritt zur Union vor fünf Jahren unter Beobachtung. "Kooperations- und Kontrollverfahren" nennen sich die Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass Bukarest Justizreformen umsetzt und dabei auch Unterstützung von der EU bekommt. Dieses Monitoring kann die Kommission beenden - aber auch verlängern, sogar auf mehrere Jahre, wie Reding erklärte. Dabei sieht schon jetzt so mancher rumänische Politiker dieses Verfahren als Ärgernis an.

Zwist im EU-Parlament

Für noch mehr Unmut in Bukarest sorgt die Verknüpfung zweier Themen, die theoretisch nicht miteinander verbunden sind: Fortschritte bei der Stärkung der Justiz und die angestrebte Mitgliedschaft in der Schengen-Zone, wo Reisen ohne Grenzkontrollen möglich sind. Die Aufnahme war schon für das vorige Jahr geplant gewesen, doch pochten mehrere Staaten, allen voran die Niederlande, auf die Umsetzung der Justizreformen. Im September sollen die EU-Mitglieder über das weitere Vorgehen entscheiden, zuvor wollen sie den Fortschrittsbericht der Kommission sehen. Die nächste Bewertung der Brüsseler Behörde ist für kommende Woche angesetzt.

Rumänien hat sich technisch intensiv auf den Schengen-Beitritt vorbereitet, nicht zuletzt mit Finanzhilfe aus EU-Fördertöpfen. Immerhin soll es sicherstellen, dass die Außengrenzen der Union überwacht werden. Dass dies nicht ausreicht, sondern darüber hinaus andere Forderungen gestellt werden, verbittert nicht nur Ponta, sondern auch seinen politischen Rivalen Basescu. Wie jeder Premier der vergangenen Jahre hat ebenfalls der Präsident die "doppelten Standards" angeprangert, nach denen die jüngsten - und ärmsten - EU-Mitglieder behandelt werden. Es sei schlicht nicht fair, Anforderungen in einem Bereich auch in einem anderen zu stellen.

Ähnlich äußerten sich EU-Parlamentspräsident Schulz sowie Hannes Swoboda, der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus der Union. Die zusätzlichen Bedingungen seien nicht einmal legal, meinte Swoboda. Ganz anders sehen das die Konservativen. Über die Beurteilung der Lage in Rumänien ist im EU-Parlament nämlich ein heftiger Zwist entbrannt. Während die Sozialdemokraten zu beruhigen versuchen, sprach etwa der CDU-Mandatar Elmar Brok von einem Staatsstreich in Bukarest. Mitglieder der Europäischen Volkspartei, der größten Fraktion, wollen prüfen lassen, ob gegen Rumänien ein Verfahren wegen Verstoßes gegen EU-Werte notwendig sei. Die Sozialdemokraten wiederum werfen ihren konservativen Kollegen rein parteipolitisch motivierte Kritik vor. Immerhin hätten sich diese durchaus nicht so empört, als es um die Vorgänge in Ungarn ging, wo der Premier ebenfalls ein Konservativer ist.

Was in der Debatte allerdings kaum erwähnt wird, ist, dass der ungarische Ministerpräsident bei Wahlen gestärkt wurde. Der rumänische hingegen hat nicht nach einem Urnengang sein Amt erlangt, sondern steht einer Übergangsregierung vor, die nach dem Zerfall der vorigen Koalition gebildet wurde.

Ponta war jedenfalls in Brüssel bemüht, die Wogen zu glätten. Immer wieder versicherte er, dass sich sein Land demokratischen Werten verpflichtet fühle - und weiter an europäischen Standards arbeite.