Weder Konsumenten noch Bauern würden von einer neuen Zuckermarktordnung (ZMO) profitieren, wie sie EU-Agrarkommissar Franz Fischler vorgesehen und die EU-Kommission gestern (als Vorschlag) beschlossen hat. In diesem Punkt sind sich Hermann Schultes, Präsident der Vereinigung der österreichischen Rübenbauern, und Leon Lenhart, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Fair Trade, einig.
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Die Zuckerpreise würden für die verarbeitende Industrie sinken, nicht unbedingt für die Konsumenten, hatte Fischler erklärt. Eine Flasche Coca-Cola würde beispielsweise um 0,7% billiger - in Summe ein Gewinn für den Konzern. "Eine Liberalisierung, die der Konsument nicht spürt, macht keinen Sinn", sagte Lenhart gegenüber der "Wiener Zeitung". Er bewertet einen liberalisierten Zuckermarkt ohne EU-Dumpingpreise positiv - sofern es soziale und ökologische Mindeststandards gibt. Andernfalls würden in erster Linie "Zuckerbarone", etwa in Brasilien, profitieren. Geht es nach Fischler, sollen die 49 "ärmsten Länder" zollfreien Zugang zum EU-Markt erhalten. Gegenüber den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) sowie Indien soll die EU zu ihren Abnahmeverpflichtungen stehen. Derzeit importiert die EU von den AKP-Staaten 1,6 Mio. Tonnen Zucker zum EU-Preis und reexportiert sie zum (niedrigeren) Weltmarktpreis. Rübenbauer-Vertreter Schultes fordert Importquoten auch für Entwicklungsländer, um Überschüsse zu verhindern. Lenhart könnte sich vorstellen, dass "jene Länder, die sich an die EU-Standards halten, quoten- und zollfrei exportieren." Für Österreich, das kaum für den Weltmarkt produziert, würde sich wenig ändern. In anderen EU-Ländern mit großen Betrieben, die ihre subventionierte Ware zu Dumpingpreisen am Weltmarkt absetzen, würde es einen Strukturwandel geben.
Einigen sich die EU-Agrarminister auf die neue ZMO, die - wie berichtet - einen um 211 Euro niedrigeren Stützpreis pro Tonne vorsieht, sind laut Schultes v. a. Betriebe im nördlichen Weinviertel und im Burgenland gefährdet.