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Barnier für mehr Transparenz, weniger Abhängigkeit und Interessenkonflikte.
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Brüssel. Die Rolle der Ratingagenturen in der Krise war bisher nicht allzu rühmlich: "Sie haben in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht", sagte Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Dienstag. Sein lange erwarteter Gesetzesvorschlag zur Bändigung der Branchenriesen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch fiel aber wesentlich milder aus als zuvor geplant. Die vorübergehende Aussetzung von Bewertungen schwankender Euroländer wurde ebenso aufgeschoben wie das Verbot zum Aufkauf kleinerer Ratingagenturen. Immerhin sollen die Auguren künftig auf Schadenersatz geklagt werden können, wenn sie grob fahrlässige Fehler machen. Erst letzte Woche hatte Standard & Poor’s aus Versehen Frankreich vorübergehend abgestuft und massive Turbulenzen ausgelöst. "Ein sehr ernster Vorfall", kritisierte Barnier.
Im Wesentlichen geht es ihm darum, die Abhängigkeit von Ratingagenturen sowie Interessenkonflikte zu reduzieren und die Transparenz zu erhöhen. Banken, Fonds und andere Investoren sollen verpflichtet werden, sich nicht mehr nur auf die Agenturen zu verlassen, sondern verstärkt eigene Analysen durchzuführen. Die Bewertung von Staaten müsse alle sechs Monate statt wie bisher jährlich durchgeführt und der Bericht einen Tag vor Veröffentlichung zur Prüfung an das Zielland weitergeleitet werden. Präsentiert dürften die Bewertungen nur werden, wenn die Märkte geschlossen haben. Der europäischen Wertpapier- und Börsenaufsicht Esma müssen die Agenturen künftig ihre Methoden und Basisdaten der Bewertungen offenlegen.
Banken und andere Finanzgesellschaften müssten zudem alle drei Jahre ihre Agentur wechseln, um die Unabhängigkeit der Urteile zu fördern. Hält ein Anleger an einer der Bewertungsfirmen mehr als fünf Prozent, so darf er nicht mehr als fünf Prozent an einer anderen halten. So soll der Wettbewerb zumindest unter den drei Großen aufrecht erhalten werden.
Barnier ließ keinen Zweifel daran, dass er die Agenturen ursprünglich noch stärker an die Leine legen wollte. "Noch vor drei Jahren haben sie perfekte Noten für toxische Wertpapiere und gute Ausblicke für Banken nahe dem Bankrott ausgestellt", sagt der französische EU-Kommissar.
Jetzt dürften die Probleme im Gegenzug nicht schlimmer dargestellt werden, als sie sind. Mit Blick auf Abstufungen von Euroländern, die Notkredite für ihr finanzielles Überlegen benötigen wie Griechenland, Irland und Portugal habe er eine zweimonatige Aussetzung der Bewertungen "in bestimmten Fällen" für eine gute Idee gehalten. Oft seien sie schließlich "am Tag oder am Vorabend" von Entscheidungen über Spar- und Reformpakete "ohne Angabe von Gründen" hinuntergestuft worden.
Belgier und Briten bremsen
In den Gesetzesvorschlag hat es die vorübergehende Aussetzung wegen des Widerstandes einiger Kollegen in der EU-Kommission nicht gegeben. Vor allem die liberalen Vertreter Karel de Gucht aus Belgien und die Niederländerin Neelie Kroes sowie die britische EU-Außenministerin Catherine Ashton sollen gebremst haben. Die großen Ratingagenturen hatten zuvor gewarnt, dass eine Aussetzung eine genauso schlimme Auswirkung auf das Vertrauen gegenüber einem Land habe, wie die Abstufung. Aufgeschoben wurden auch ein Verbot des Aufkaufs von kleineren Ratingagenturen durch Branchenriesen, die in der EU einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent haben.
Kein Thema ist vorläufig eine eigene europäische Ratingagentur als Gegengewicht zu den drei großen Spielern am Markt. Die Einrichtung einer solchen würde 300 bis 500 Millionen Euro kosten, "die wir nicht bei der Hand haben", sagte Barnier. Zudem könnte der Eindruck entstehen, dass eine von der EU auf die Beine gestellte Institution in ihren Ratings befangen sei.
Er halte es daher für besser, auf bereits existierende kleinere Agenturen zu setzen. Um deren Vernetzung zu fördern, prüft die Kommission, wie ihnen mit EU-Mitteln geholfen werden könnte. Mitgliedstaaten und EU-Parlament müssen Barniers Vorschlägen zustimmen, in rund einem Jahr sollen sie in Kraft treten.