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EuGH ermöglicht Anfechtung des Widerrufs einer Ausschreibung

Von Thomas Neuwerth / WZ Online

Wirtschaft
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg
© EuGH

Bisher gab es eine eindeutige Entscheidungslinie des österreichischen Bundesvergabeamtes (BVA). Als das Außenministerium im vorigen Jahre zunächst die Errichtung einer Telefonanlage ausschrieb, dieses Vergabeverfahren dann aber widerrief, stellte das BVA mit Bescheid (02N-97/04-28 vom 11.11.2004) klar: Wenn ein Auftraggeber eine Ausschreibung widerruft - das kann er im übrigen auch nach Öffnung der Angebote, ja sogar noch, wenn bereits ein Nachprüfungsverfahren in Gange ist - kann ein davon betroffener Bieter dagegen kein Nachprüfungsverfahren anstrengen, an dessen Ende die Aufhebung eines zu Unrecht erfolgten Widerrufs stehen würde.


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Begründet wurde dies vom BVA damit, dass der Widerruf eben explizit keine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 20 Z 13 lit a Bundesvergabegesetz (BVergG) 2002 sei. Für einen betroffenen Bieter bestand bloß die Möglichkeit, die Unrechtmäßigkeit eines Widerrufs im Rahmen eines Feststellungsverfahrens fest stellen zu lassen. Außer der Tatsache, dass dies Formalvoraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatz ist, war dem Bieter damit jedoch wenig geholfen.

In einem anderen Fall hatte das BVA jedoch nicht selbst entschieden, sondern die Frage einer möglichen Anfechtung eines Widerrufs dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt. In diesem Fall hatte die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) Abbrucharbeiten ausgeschrieben und das Vergabeverfahren später widerrufen. Einer der Bieter, die Koppensteiner GmbH stellte daraufhin den Antrag beim BVA, den Widerruf aufzuheben. Der EuGH, der schon zuvor im seinen Urteilen "Hospital Ingenieure" (C-92/00) und "Stadt Halle" (C26/03 vom 11.1.2205; s. "Legal News" 02/2005) von einer Anfechtungsmöglichkeit des Widerrufs ausgegangen war, stellte in seinem nunmehrigen Urteil vom 2.6.2005 fest, dass ein Widerruf, selbst im Falle entgegenstehender innerstaatlicher Bestimmungen - wie dies in Österreich der Fall ist - unmittelbar aufgrund des EU-Rechtes für nichtig erklärt werden kann.

Der Gesetzgeber hat rasch auf dieses Erkenntnis reagiert. Österreich ist ja verpflichtet, die beiden neuen EU-Vergaberichtlinien bis spätestens 31.1.2006 umzusetzen, also in innerstaatliches Recht umzugießen. In Erfüllung dieser Verpflichtung hat das Bundeskanzleramt nunmehr den Entwurf für das BVergG 2006 in Begutachtung geschickt, die Frist für Stellungnahmen endet am 31.8.2005.

Im Entwurf zum neuen BVergG 2006 finden sich die bisher in § 20 BVergG 2002 angeführten "Begriffsbestimmungen" bereits in § 2. Die gesondert anfechtbaren Entscheidungen werden nunmehr in § 2 Z 15 definiert und darin findet sich nunmehr auch die "Widerrufsentscheidung". In den Erläuterungen zum Entwurf wird ausgeführt: "Es erscheint am zweckmäßigsten, dieser Judikatur des EuGH dadurch nachzukommen, dass für den Widerruf - in Analogie zum Verfahren bei der Zuschlagsentscheidung/Zuschlagserteilung - vorgesehen wird, dass zuerst die Entscheidung über den beabsichtigten Widerruf bekannt zu geben ist und der Widerruf erst nach Ablauf der Stillhaltefrist erklärt werden darf."

Dem gemäß unterscheidet der Entwurf zwischen einer Widerrufsentscheidung (§ 2 Z 44 BVergG 2006), die eine nicht verbindliche Absichtserklärung darstellt, und einer (endgültigen) Widerrufserklärung (§ 2 Z 45). Gemäß § 141 BVergG 2006 soll zwischen Widerrufsentscheidung und -erklärung eine Stillhaltefrist von - im Normalfall - zwei Wochen liegen. Der Auftraggeber muss in der Widerrufsentscheidung die Gründe für den beabsichtigten Widerruf anführen. Bis zur Widerrufserklärung hat der Bieter nunmehr die Möglichkeit, einen Nachprüfungsantrag beim BVA zu stellen (§ 334 BVergG 2006).

Mag. Thomas Neuwerth ist Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei Brauneis, Klauser & Prändl in Wien.