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Schutzschild gegen feindliche Übernahmen obsolet. | Bei Porsche stehen 10 Mrd. Euro und Aktienoptionen bereit. | Brüssel/Luxemburg. Porsche wird auf dem Weg zu einer Mehrheitsbeteiligung an VW kaum mehr zu stoppen sein. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag die entscheidenden Hürden zur Übernahme des Volkswagen-Konzerns im so genannten VW-Gesetz für EU-rechtswidrig erklärt. Damit wird dem Wolfsburger Autokonzern sein Schutzschild auch gegen feindliche Übernahmen entrissen.
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"Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Beibehaltung der Bestimmungen des VW-Gesetzes über die Begrenzung des Stimmrechtes auf 20 Prozent, über die Festlegung der Sperrminorität auf 20 Prozent und über das Recht des Bundes und des Landes Niedersachsen, je zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden, gegen ihre Verpflichtungen verstoßen", heißt der Kernsatz im Urteil der Luxemburger Richter.
Jetzt ist Berlin am Zug
Nun ist es an der deutschen Regierung umgehend für die Anpassung des Gesetzes ans EU-Recht oder seine Abschaffung zu sorgen. Denn die bisherige Regelung habe gegen den Unionsgrundsatz des freien Kapitalverkehrs verstoßen und so den Binnenmarkt beeinträchtigt, hatte die EU-Kommission als Klägerin Deutschlands beim obersten EU-Gericht geltend gemacht. Entsprechend zufrieden zeigte sich der Sprecher von Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy nach dem Urteil: Der Fall belege, dass Sonderrechte für Aktionäre wie Goldene Aktien in der EU ein Auslaufmodell seien.
Denn bisher ist das Stimmrecht eines VW-Aktionärs unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung auf 20 Prozent begrenzt, um Übernahmen unmöglich zu machen. Das Land Niedersachsen hatte mit seiner gut 20-prozentigen Beteiligung ebenso eine Sperrminorität wie Porsche mit fast 31 Prozent des Aktienkapitals. Schon ab dem Besitz von mehr als einer Aktie durften sowohl Bund und Land laut dem Gesetz aus dem Jahr 1960 zwei Aufsichtsräte entsenden.
Jetzt scheint der Weg zur Übernahme des VW-Konzerns durch die Stuttgarter Sportwagenschmiede aber geebnet. Analysten erwarten die Aufstockung der Beteiligung auf mehr als 50 Prozent in den nächsten Wochen oder Monaten - spätestens aber nach den Landtagswahlen in Niedersachsen Ende Jänner 2008.
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sagte nur, er sei sehr daran interessiert, die Stimmrechte entsprechend der Beteiligung voll ausüben zu können. Zur Kapitalerhöhung machte er vorerst keine Angaben, darauf vorbereitet ist er offenbar aber sehr gut: Kreditlinien über 10 Mrd. Euro stehen wie Optionen auf weitere VW-Aktien bereit. Für die bisherigen Einkäufe in Wolfsburg sind bereits um die 5 Mrd. Euro geflossen.
Vorsichtig positiv reagierte auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff: Gegen einen Eigentümer mit mehr als 50 Prozent lohnten sich zumindest Spekulationen nicht mehr, meinte er. Hintergrund ist die Angst vor den sogenannten Heuschrecken - Fonds die für kurzfristigen Gewinn auch gern die Einheit von Unternehmen opfern.
Reformbedarf bei VW
Zu Reformen wird es aber wohl auch unter Wiedeking kommen müssen. Er will mit VW dem Weltmarktführer Toyota Paroli bieten. Dafür müsste wohl die Produktivität der VW-Werke gesteigert und die Produktpalette gestrafft werden. Etwa für das glücklose VW-Top-Modell "Phaeton" soll der Porsche-Chef gar nichts übrig haben.
Die mächtige Personalvertretung streitet bereits mit Porsche um die Anzahl der Vertreter im Aufsichtsrat der Porsche Holding, in die Volkswagen wohl eingegliedert werden soll.
Analyse Seite 12