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EuGH verurteilt Golden shares bei VW

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Nach Ansicht der Kommission und des Gerichtshofs verletzen die der öffentlichen Hand in der VW-AG eingeräumten Vertretungsrechte die Kapitalverkehrsfreiheit. | Wenn der öffentlichen Hand innerhalb privater Unternehmen übermäßige Beteiligungsrechte eingeräumt werden, werden diese gemeinhin als "goldene Aktien" (Golden shares) bezeichnet.


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Der Grund für diese Sonderstellung der öffentlichen Gewalt liegt zum einen darin, dass diese damit auf bestimmte unternehmerische Tätigkeiten, die von vitaler Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft sind, verstärkt Einfluss nehmen will, um eine spezielle wirtschaftspolitische Strategie durchzusetzen. Zum anderen sollen diese vermehrten Beteiligungsrechte auch dazu dienen, eventuelle feindliche Übernahmen eines Unternehmens leichter abzuwehren.

Diese Bestimmungen kollidieren in der Regel mit den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen - zum Beispiel des Aktiengesetzes - und müssen daher sondergesetzlich immunisiert werden.

VW-Gesetz von 1960

Das sogenannte Volkswagen-Gesetz ist ein solches Sondergesetz, das der öffentlichen Hand entgegen den aktienrechtlichen Bestimmungen überproportionale gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte am Volkswagenwerk einräumt. Durch das VW-Gesetz wurde die bisherige Volkswagenwerk GmbH, deren einziger Anteilseigner die Bundesrepublik Deutschland (BRD) war, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zugleich privatisiert, wobei 60 Prozent der Aktien an Private, der Rest in zwei Paketen von je 20 Prozent an die BRD und das Land Niedersachsen abgegeben wurde.

Drei Bestimmungen dieses VW-Gesetzes begegnen nach Ansicht der Kommission gemeinschaftsrechtlichen Bedenken:

Paragraf 2 Absatz 1 beschränkt das Stimmrecht auf ein Fünftel des Grundkapitals, wenn ein Aktionär mehr als 20 Prozent des Kapitals besitzt. Gemäß Paragraf 4 Absatz 1 werden der BRD und dem Land Nieder sachsen je zwei Aufsichtsratsmitglieder zugestanden, und in Paragraf 4 Absatz 3 wird das Quorum für Hauptversammlungsbeschlüsse, das an sich drei Viertel des Grundkapitals beträgt, auf mehr als vier Fünftel erhöht.

Späte Klage vor EuGH

45 Jahre nach dem Erlass des VW-Gesetzes und erst nach dem Ergehen von bereits acht "Golden shares"-Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) seit dem Jahr 2000 hat die EU-Kommission im März 2005 die Bundesrepublik Deutschland vor dem EuGH auf Feststellung geklagt, dass diese drei inkriminierten Bestimmungen des VW-Gesetzes sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die Kapitalverkehrsfreiheit verletzen.

Da die Kommission im Verfahren die Verletzung der Niederlassungsfreiheit nicht weiter substantiierte, prüfte der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache C-112/05 vom 23. Oktober 2007 in der Folge nur mehr eine mögliche Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit.

Maßstab dafür war seine bisherige Rechtsprechung zu Direktinvestitionen, die dann durch nationale Maßnahmen verbotenerweise beschränkt werden, wenn diese geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken, oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren.

In seinem Urteil vom 23. Oktober 2007 stellte der EuGH (Große Kammer) fest, dass alle drei inkriminierten Bestimmungen im VW-Gesetz in ihrem Zusammenspiel der öffentlichen Hand, das heißt der BRD und dem Land Niedersachsen, Sonderrechte einräumen, die eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen und die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne von Artikel 58 EG-Vertrag gerechtfertigt werden können.