Zum Hauptinhalt springen

EUphorie hat ihre Grenzen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Das Agrarkapitel, das zu den schwierigsten im Prozess der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union gehört, haben sich die Kandidatenstaaten für die Endphase der Gespräche aufgehoben. Polen, größter Beitrittswerber, hat dabei nicht nur in Brüssel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch im Sejm, dem polnischen Parlament, wird die Regierung noch etliche Debatten austragen müssen. Denn EU-SkeptikerInnen gibt es in dem Land, in dem etwa drei Millionen Menschen von der Landwirtschaft abhängig sind, genug.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"EU-Erweiterung? Die Franzosen sagen nein dazu." Unter diesem Titel legte die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" vor wenigen Tagen jüngste Daten des Eurobarometers dar. Demnach sprachen sich im Vorjahr 46 Prozent der Franzosen und Französinnen gegen die Aufnahme weiterer Staaten in die EU aus, und lediglich 39 Prozent waren dafür.

Doch es waren nicht in erster Linie diese Zahlen, die Polens PolitikerInnen Grund für besorgte Äußerungen gaben, sondern der Wahlerfolg des französischen Präsidentschaftskandidaten Jean-Marie Le Pen. "Beunruhigt" zeigte sich Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, und der ehemalige Außenminister Bronislaw Geremek sah die EU-Erweiterung überhaupt gefährdet.

Allerdings wächst auch im größten Kandidatenland selbst der Unmut über den Erweiterungsprozess. Betrug die Zustimmungsrate zur EU vor zehn Jahren noch etwa 80 Prozent, pendelte sie sich in den letzten Monaten bei knapp über 50 Prozent ein.

Dass sich die anfangs überwiegend positive Haltung derart verschlechtert hat, sieht der Zeithistoriker Wlodzimierz Borodziej als "durchgehendes Defizit" der Regierung Anfang der 90er-Jahre an. Damals hätten es die politischen Parteien verabsäumt, die breite Zustimmung aufrechtzuerhalten. Dies habe Polens rechter Flügel des politischen Spektrums für sich genutzt - und sich mit der Zeit zum "Sammelbecken der Antieuropäer" formiert.

"Gefährdete Werte"

Gleich drei teils nationalistische Gruppierungen schafften bei der Parlamentswahl im Vorjahr den Einzug in den Sejm. Und nicht nur die Selbstverteidigung (Samoobrona) rund um den selbst ernannten "Bauernführer" Andrzej Lepper wettert gegen die EU. Auch die Liga der Polnischen Familien meldet sich nun vermehrt zu Wort. In einem Unionsbeitritt Polens ortete sie vor kurzem die "Gefährdung fundamentaler Werte": der Demokratie, der freien Marktwirtschaft und des Christentums.

"Noch nie gab es im Parlament eine derart starke Opposition gegen den EU-Beitritt", erklärt Pawel Swieboda, Direktor der Abteilung für Europäische Integration und Beitrittsverhandlungen. Er sieht darin aber auch eine Herausforderung für die Regierung. Nun gelte es, gute Argumente für einen Beitritt zu finden - und nicht nur dafür zu plädieren.