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"Eure Themen sind eh super"

Von Walter Hämmerle

Politik
Ulrike Lunacek lässt Kritik an Parteichefin Eva Glawischnig nicht gelten: Diese sei "ganz sicher"die Richtige für die Grünen. Foto: Newald

Lunacek: Seriosität erschwert den Verkauf unserer Ideen. | "EU-Staatschefs fehlt in der Krise der Mut." | "Wiener Zeitung": Viel Grund zur Freude haben die Grünen bei den letzten Wahlen nicht. Was läuft schief? | Ulrike Lunacek: In der Politik ist es mitunter wie im richtigen Leben: Es gibt Zeiten, in denen es bergauf, und solche, wo es bergab geht. Im Moment erleben wir eben härtere Zeiten, solche gab es aber auch früher. Es werden auch wieder bessere Tage kommen.


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Haben Sie eine Erklärung für die politische Durststrecke?

Wir haben am flachen Land strukturelle Probleme, im Burgenland, aber auch in Niederösterreich zeigt sich das exemplarisch. Hier sehen es natürlich viele, die auf ihr Auto angewiesen sind, kritisch, wenn wir für mehr öffentlichen Verkehr, aber gegen neue Straßen oder eine Autobahn sind. Dazu kommt, dass auch viele Leute sagen, "Eure Themen sind eh super", dann aber am Wahltag bei einer anderen Partei ihr Kreuzerl machen. Man darf aber trotz aller Kritik nicht übersehen, dass wir EU-weit immer noch eine der stärksten Grün-Parteien sind.

Tragfähige Strukturen am Land fehlen den Grünen nicht erst seit heuer, warum wurde deren Aufbau nicht längst in Angriff genommen?

Das stimmt und daran müssen wir arbeiten. Trotzdem: Die Zustimmung zu unseren Ideen ist viel größer als die Zahl derjenigen, die uns am Wahltag ihre Stimmen geben. Populistische Parteien tun sich da leichter, diese generelle Zustimmung in Stimmen umzumünzen.

Ganz so unpopulistisch sind die Grünen aber auch nicht, wenn man an die Kampagnen gegen Gentechnik oder Atomkraft denkt.

Populismus besteht für mich darin, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen. Wir tun das nicht, unsere Positionen zu Gentechnik und Atomkraft sind wissenschaftlich begründet.

Grünen-Vorsitzende Eva Glawischnig ist zweifache junge Mutter, darunter leidet naturgemäß ihre öffentliche Präsenz. Ist sie die Richtige in dieser schwierigen Situation?

Ja, sogar ganz sicher. Für mich ist es seltsam, dass kritisiert wird, wenn Frauen in Spitzenpositionen auch Kinder haben wollen. Das muss einfach möglich sein. Bei Männern in Spitzenpositionen stellt sich diese Frage keiner.

Was muss sich dann ändern?

Wir müssen wieder mehr Kanten zeigen, wie jetzt etwa bei der Forderung nach rauchfreien Lokalen. Das ist umstritten, aber der richtige Weg. In Umweltfragen ist das schwieriger, weil wir hier nicht mehr die Alleinstellung wie vor zehn Jahren haben. Die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko bietet aber beispielsweise die Chance aufzuzeigen, dass es Alternativen zu dieser Energiequelle gibt.

Haben sich die Grünen innerlich bereits vom Ziel einer Regierungsbeteiligung verabschiedet? Auf absehbare Zeit dürfte sich weder eine Koalition mit der SPÖ noch mit der ÖVP rechnerisch ausgehen.

Das liegt allerdings nicht an uns, sondern an der Schwäche der Großparteien. Wie es hier weitergeht, hängt auch vom Überleben des BZÖ ab, denn in einem Vier-Parteien-Parlament schauen die Mehrheitsverhältnisse gleich wieder anders aus.

Das Ende vom Regierungstraum könnte auch Vorteil sein: Die Grünen könnten wieder frei von Rücksichtnahmen Opposition machen.

Wir wollen ernsthafte Politik machen, da ist es immer ein Kampf, die Dinge auch auf den Punkt zu bringen. Vor lauter Bemühen um Seriosität verliert man dann manchmal die Botschaft. Der Verkauf unserer Ideen bleibt mitunter eben auf der Strecke.

Europa kämpft darum, Lektionen aus der Finanzkrise zu ziehen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben den Banken einen Stresstest verordnet, ihren eigenen haben sie nicht bestanden. Was wir am Donnerstag erlebt haben, war ein müder Gipfel: Den Politikern fehlt die Führungsqualität, einfach weil sie zu stark auf das Nationale fixiert sind. Sie sind nicht fähig, klar zu sagen, wie die Bankenabgabe aussehen, wie international eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden soll. Hier fehlt der Mut. Weder die Vorschläge der Kommission noch die der EU-Parlamentarier werden ernst genommen. Offensichtlich muss sich die Krise noch weiter vertiefen, bevor die Staatschefs die richtigen Schlüsse ziehen.

* Ulrike Lunacek (53) ist stellvertretende Klubchefin der Grünen und seit 2009

EU-Abgeordnete. *