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Viele Wiener erwarten randalierende Fans und zerstörte Rasenflächen. | Bis in die Gremien reicht die Skepsis, die nur solche Bilder vor Augen hat. | Wien. Fast ein Viertel der Österreicher steht der Europameisterschaft 2008 desinteressiert bis ablehnend gegenüber, wobei deren typischer Gegner weiblich und älter als 45 ist sowie eine Pflichtschulbildung hat, wie Konsumentenforscher Claus Ebster und Sportmarketing-Experte Reinhard Grohs vom Lehrstuhl für Marketing der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Uni Wien jüngst erhoben haben. Ebenso gut könnte er aber auch männlich, jünger oder älter, mit gehobener Ausbildung sein und in einem Gremium etwa der Wirtschaftskammer (WKO) sitzen.
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Zu diesem Schluss konnte man in den vergangenen Wochen jedenfalls leicht kommen, wenn man dort um Auskunft über geplante Initiativen und Aktivitäten anlässlich der Euro 08 bat. Noch im Jänner bastelte man bei der WKO gemeinsam mit der Exekutive an einem Sicherheits-"Präventionskatalog" zur Vermeidung von Fußballrandalen für die Gastronomie, in dem Plastikbecher statt Gläsern, rasches Tischabräumen und beruhigende Musik angeraten wurden. Kolportiert wird sogar eine Empfehlung an die Wirte, die Urlaubssperre heuer überhaupt auf den Juni zu legen.
Ob solch befürchteter Gefahren hatte man wohl übersehen, dass Fußballfans heterogen sind. Gabriela Benz, General Manager des Hotels Le Meridien am Wiener Opernring, wusste nämlich schon vor Weihnachten zu berichten: "Für den Juni sind wir bereits vollständig ausgebucht. Vor allem deutsche Konzerne wollen ihrer VIP-Kundschaft etwas bieten und haben daher zu den Tickets Zimmer en bloc reserviert." Das bestätigte damals auch Petra Engl-Wurzer, Pressechefin der ebenfalls zur Luxury Collection gehörenden Hotels Imperial und Bristol in Wien: "Es sind nur noch vereinzelt Zimmer und Suiten frei."
Späte Erkenntnisse
In der Folge wollte die "Wiener Zeitung" (Anfang Jänner) als Leserservice auf Gastbetriebe mit besonderen Angeboten während der Euro 08 (große Flatscreens, Fingerfood, erweitertes Bier-Sortiment etc.) hinweisen und bat die WKO um Namen und Adressen solcher Lokale bzw. darum, ein entsprechendes Mail an diese weiterzuleiten. Antwort: Man werde dies erst selbst erheben und das Ergebnis im Mai (!) bekanntgeben.
Doch dies ist nur eines von vielen Beispielen für das typisch österreichische Phänomen, Anstehendes so lange zu verdrängen, bis es unvermeidlich vor der Tür steht. Österreich und die Schweiz erhielten den Zuschlag für die Austragung der Euro 08 am 12. Dezember 2002. Die Schweiz, obwohl wesentlich erfahrener in der Organisation solcher Sportereignisse, begann fast unmittelbar danach mit ihren Vorbereitungen und macht seit mehr als zwei Jahren ordentlich Druck, auch von Regierungsseite, egal, ob es um Scharmützel - Lizenzen, Übertragungsrechte etc. - mit der Uefa geht, um Sicherheit, Kooperationen im öffentlichen Raum oder eben auch Wirtschaftsmanagement.
Hierzulande dagegen fiel Reinhold Mitterlehner, dem Generalsekretär-Stellvertreter der WKO, erst Mitte Februar auf: "Jeder vierte Betrieb erwartet direkte Auswirkungen auf den eigenen Geschäftserfolg. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe werden profitieren."
So ist es. Rund um Austragungsorte und Mannschaftsquartiere könnten allenfalls dann Zimmer frei bleiben, wenn sich - wie derzeit - die Visa-Ausstellung für russische Gäste weiter verzögert. Sonst ist kaum noch etwas frei.
Wer Wien vermarktet
In Seefeld (wo die tschechische Mannschaft untergebracht ist), Stegersbach (Österreich), Bad Tatzmannsdorf (Kroatien), Bad Waltersdorf (Polen), Baden bei Wien (Italien), Hof am Fuschlsee (Griechenland), Neustift im Stubaital (Spanien) und Leogang (Russland) sowie deren weiterer Umgebung und allein im 100-Kilometer-Umkreis von Wien waren selbst kleine Pensionen um diese Jahreszeit noch nie derart ausgelastet.
Der Anteil der Tourismus-Verbände daran dürfte freilich eher bescheiden sein. So investiert etwa WienTourismus lediglich eine Million Euro in die Kampagne "Lebenslust & Sportgenuss" in Printmedien, TV und AUA-Maschinen, ein junges Wiener Modelabel, das T-Shirts nach individuellen Wünschen mit diversen Fußball-Symbolen endfertigt, in Medienbetreuung und, gemeinsam mit der Stadtinformation, in ein Info-Center in der Fanzone.
Allerdings: Die Vermarktung Wiens erfolgt ohnehin über die Stadtregierung - Slogan: "Fußball findet Stadt" - und die Wien-Holding bzw. deren insgesamt 70 Unternehmen sowie - einem Bericht im Magazin "Datum" zufolge - durch das Echo Medienhaus. Dessen Geschäftsführer Christian Pöttler bestätigte, dass die ersten Planungen für die Euro 08 des Unternehmens bereits vor zwei Jahren begonnen haben. Weshalb ihm nun an den wichtigsten Euro-Terminen - 7. Juni: Eröffnung; 20., 21., 25. und 26: jeweils Viertelbzw. Halbfinale; 29.: Finale - vier Prunksäle im Rathaus zur Weitervermietung an betuchte Kunden zur Verfügung stehen, darunter der Große Festsaal.
Gute Planung: ÖBB
Besser auf die Euro eingestellt zeigen sich da nur die ÖBB, die sich schon im Vorfeld den ehemaligen Fußball-Profi Manfred Kern zum Ausbau ihrer Logistik sowie Beratung aus Deutschland holten. Über den Vorverkauf an Euro-Tickets wurde ermittelt, wo 2000 zusätzliche Züge auf die Schiene gestellt werden. Spezielle Angebote werden viele Fans dazu bewegen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen, und ausgeklügelte Pläne in Kooperation mit der Exekutive - Sicherheit spielt eine zentrale Rolle - wurden längst auch praktisch erprobt.
Bei den ÖBB denkt man auch über die Euro-Zeit hinaus, nämlich an die Normalkundschaft, die so wenig wie möglich unter dem zu erwartenden Ansturm leiden soll. Deshalb werden viele Züge nach Bedarf geführt: "Ziel ist es, nach der Euro mehr Kunden zu haben als heute", sagt Josef Halbmayr, Vorstand ÖBB-Personenverkehr.