)
Nach Monaten des Zauderns, Zögerns und Taktierens kommen nun entscheidende Tage für die Zukunft des Euro. An diesem Wochenende des 1. und 2. Mai 2010 werden die Weichenstellungen getroffen, auf die es ankommt. Kann die Schuldenkrise eingedämmt werden und bleibt auf Griechenland beschränkt? Oder droht ein Übergreifen auf andere Euroländer und ein "Pleiten-Domino", welches das Zeug dazu hätte, die Weltwirtschaft in eine weitere Rezession zu stürzen?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Märkte erwarten jedenfalls eine politische Lösung des Problems - alles andere als ein starkes Signal aus der Eurozone könnte deshalb neuerlich Panik auslösen, die Zinsen für Staatsanleihen befeuern und somit eine weitere desaströse Verschuldungsspirale in Gang setzen.
Was muss jetzt geschehen? Zunächst müssen in Athen die Details des Hilfspaketes geklärt werden, dann braucht es einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe - und schließlich müssen einzelne Euroländer ihre Beiträge auch noch durch die nationalen Parlamente bringen.
Der konkrete Fahrplan im Überblick:
Proteste in Athen
1. Mai 2010: Der Tag der Arbeit wird europaweit begangen. Besonders große Aufmerksamkeit ist auf Griechenland gerichtet: Dort werden die Proteste der Bevölkerung gegen den Sparkurs besonders heftig ausfallen - eine Eskalation oder ein Ausbleiben könnte als Signal gewertet werden, ob die Griechen bereit sind, den Gürtel enger zu schnallen.
Schon am Sonntag, 2. Mai 2010 werden um 16 Uhr in Brüssel die Finanzminister der Eurogruppe tagen, um den Wortlaut und die Details des Hilfspaketes abzustimmen. Schon seit 21. April sind Vertreter des Internationalen Währungsfonds gemeinsam mit Experten der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank in Athen und verhandeln mit der griechischen Regierung über die Sparmaßnahmen und Auflagen, die im Gegenzug für das Fließen der Notkredite (voraussichtlich 120 Milliarden Euro über drei Jahre) verlangt werden. Das Endergebnis wird noch an diesem Wochenende erwartet.
Zwischen 3. und 7. Mai 2010: Der Sanierungsplan wird dem griechischen Parlament vorgestellt. Die Eckpunkte, soweit bisher bekannt:
- Es wird sich um ein dreijähriges Sanierungskonzept handeln; das Budgetdefizit soll in dieser Zeit um 10 bis 11 Prozentpunkte gesenkt werden.
- Griechenland soll in Summe 24 Milliarden Euro einsparen.
- Das Pensionssystem wird umgebaut und gekürzt. Die Griechen sollen künftig laut "Financial Times" ihre Pension im Schnitt erst mit 67 Jahren antreten - nicht wie jetzt mit 53 Jahren.
- Einstellungsstopp für den öffentlichen Dienst, die Beamten verlieren ihr 13. und 14. Monatsgehalt.
- Hunderte sinnlose und antiquierte staatliche Gremien und Kommissionen werden geschlossen.
- Konsumsteuern werden massiv angehoben: Die Mehrwertsteuer steigt um 2 bis 3 Prozentpunkte, auch Benzin, Alkohol und Tabak werden empfindlich teurer.
Zwischen 4. und 7. Mai 2010: Österreich nimmt neue Kredite auf: Die Schuldenagentur des Bundes (Öbfa) begibt neue Staatsanleihen; laut Bankanalysten ist ein Volumen von 2,2 Milliarden Euro geplant. Dass die Zinsen massiv steigen, ist unwahrscheinlich: Österreichs Finanzlage gilt als vergleichsweise solide, deshalb hat sich die aktuelle Schuldenkrise bisher marginal auf die Refinanzierungskosten ausgewirkt - es wird sogar besonders großes Interesse von Investoren erwartet, die eine sichere Geldanlage suchen.
5. Mai 2010: Die größte griechische Gewerkschaft hat erneut zum Generalstreik aufgerufen. In den letzten Wochen verging kaum ein Tag, an dem nicht eine Berufsgruppe die Arbeit niedergelegt hat: Das macht es umso schwieriger für die Regierung von Giorgos Papandreou, die Sparziele zu erreichen. Soziale Unruhen könnten den ambitionierten Plan noch gefährden. Zeitgleich präsentiert die EU-Kommission ihre jüngsten Wirtschafts- und Budgetprognosen für die 27 EU-Länder, darunter auch die Sorgenkinder Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und Italien.
Die Briten wählen
6. Mai 2010: Die Briten wählen. Die Regierung in London hat ebenfalls ein riesiges Budgetdefizit zu verkraften. Bisher blieb das Pfund zwar von den Märkten nahezu unbehelligt. Das könnte sich aber ändern, insbesondere wenn die Wahl knapp ausgeht und es keine eindeutige Mehrheit gibt. Das könnte Zweifel nähren, ob die Briten zu einem entschiedenen Sparkurs in der Lage sind, und würde Investoren zusätzlich verunsichern.
7. Mai 2010: Der Bundesrat in Berlin soll die Hilfen für Griechenland endgültig absegnen. Deutschland muss - mit 8,4 Milliarden Euro in der ersten Runde - den Löwenanteil der Hilfskredite finanzieren.
EU-Sondergipfel in Brüssel
7. (oder 10.) Mai 2010: EU-Ratspräsident Herman van Rompuy hat angekündigt, einen Sondergipfel einzuberufen: Dieser wäre zwar formal nicht zwingend notwendig; ein Beschluss könnte auch schriftlich erfolgen. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen in Brüssel aber offenkundig ein unmissverständliches Signal an die Märkte aussenden, dass die Eurozone künftig geschlossen und entschlossen auftreten wird: Eine vernünftige Entscheidung, die hypernervöse Händler in den Finanzinstitutionen beruhigen sollte.
9. Mai 2010: Nordrhein-Westfalen wählt. Der Urnengang im einwohnerstärksten Bundesland hat für Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr als nur regionale Bedeutung: Die regierende Koalition von CDU und FDP könnte bei der Landtagswahl ihre Mehrheit einbüßen. Die Wahl gilt als einer der Hauptgründe, warum Merkel versucht hat, die unpopulären Hilfen für Griechenland hinauszuzögern - letztlich vergebens.
Geld muss auf den Tisch
12. Mai 2010: Die EU-Kommission erklärt, wie sie künftig die Budgetdisziplin der EU-Länder sicherstellen und kontrollieren will. Zugleich werden Vorschläge für einen permanenten Krisen-Vorsorgeplan präsentiert.
19. Mai 2010: Griechenland muss rund 8,5 Milliarden Euro an Schulden zurückzahlen.
20. Mai 2010: Für Portugal wird die Refinanzierung einer 6-Milliarden-Euro-Anleihe fällig. Bis dahin sollten sich die Finanzmärkte wieder beruhigt haben und die Zinsen, die von den Investoren verlangt werden, auf ein verkraftbares Maß gesunken sein. Gelingt das nicht, könnte das nächste Euroland aus dem Kapitalmarkt katapultiert werden - das wäre der gefürchtete "Domino-Effekt". Für den privaten Käuferstreik müssten abermals die anderen Euroländer mit Hilfskrediten in die Bresche springen; eine Horrorvorstellung, die sich derzeit niemand ausmalen mag.