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Euro macht Europa zum "Schnäppchenparadies" für US-Touristen

Von Holger Schmale

Wirtschaft

Jahrelang ist James Howe aus Washington mit Frau und Kindern im Sommer in ein Ferienhaus auf Cape Cod gefahren. Heuer fliegt die ganze Familie nach Amsterdam und schwärmt von dort aus nach Brüssel, Paris und Berlin aus: "Zehn Tage Europa für uns vier ist billiger als zwei Wochen Ferienhaus am Atlantik", lautet seine Begründung - ganz glauben kann er es immer noch nicht.


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Ein Blick auf die Umrechnungstabelle zeigt, dass der Dollar zu den meisten europäischen Währungen so günstig wie seit 15 Jahren nicht mehr steht. Der schwache Euro hat Euroland zum Schnäppchenparadies für Amerikaner gemacht.

6,2 Millionen US-Bürger planen heuer einen Trip über den Atlantik, so viele wie noch nie zuvor. Unter den fünf meist gebuchten ausländischen Reisezielen für diesen Sommer sind vier europäische Städte: Amsterdam, Frankfurt, Madrid und Dublin. Nur das Badeparadies Cancun in Mexiko ist noch beliebter bei reisefreudigen Amerikanern.

US-Zeitungen sind derzeit voller Sonderangebote und fast unglaublicher Geschichten über "deals" auf dem alten Kontinent. So berichtete die Modedesignerin Kathryn Dianos der "New York Times", dass ihr Hochzeitswochenende auf einem französischen Landschloss einschließlich zwei Übernachtungen, Essen, Champagner und Blumen die Hälfte dessen kostete, was ein New Yorker Hotel für einen einzigen festlichen Nachmittag berechnen wollte. "Und jedes Mal, wenn wir wieder ein paar Dollar gewechselt haben, bekamen wir mehr Francs dafür", erinnert sie sich noch immer staunend.

In den boomenden Metropolen der USA sind die Menschen mit wohl gefüllten Geldbeuteln an kräftige Preise gewöhnt. Da erscheinen die Angebote aus Europa, wo die Kaufkraft der Dollarbesitzer in den vergangenen 12 Monaten um ein Viertel gestiegen ist, um so paradiesischer. Die "Los Angeles Times" veröffentlichte eine Liste der Einsparungen, die der starke Greenback dem Dollar-Touristen gegenüber dem letzten Jahr beschert: Der Preis für eine Übernachtung in einem Berliner Luxushotel sank von 281 auf 223 Dollar (247 Euro/3.399 Schilling). Das Menü in einem Pariser Drei-Sterne-Restaurant kostet nur noch 122 statt 157 Dollar. Ein Espresso in Rom ist für 1,84 statt 2,42 Dollar zu haben und der Eintritt zum Stierkampf in Sevilla ist von 21 auf 16 Dollar gefallen.

Der europäischen Tourismusbranche kommt der Dollarsegen gerade recht. Sogar moderate Preiserhöhungen lassen sich im Wechselkurs verstecken. So stellten regelmäßige Besucher des Amsterdamer Van Gogh Museums aus den USA fest, dass für sie der Kunstgenuss trotz gestiegener Eintrittspreise billiger geworden ist.

Für Hoteliers und Restaurantbesitzer ist der schwache Euro ebenso willkommen wie für die europäische Exportwirtschaft, die ihre Produkte so günstig wie lange nicht mehr anbieten kann. Nur der Europäer in Amerika ist schlecht dran: Die deutschen Nachbarn der Familie Howe müssen ihre Sommerferien in den USA in diesem Jahr bescheidener gestalten. Die Miete für ihr Ferienhaus beträgt zwar wie vor zwei Jahren 2.000 Dollar. Aber das entsprach damals 3.540 DM und heute 4.360 DM.