Kanzler Faymann: "Modell lebt von politischer Wirkung." | Experte: Kredite rasch verfügbar, kein Präzedenzfall. | Brüssel. Der Notfallplan für Griechenland zeigte am Freitag erste positive Auswirkungen auf den Märkten: Der Euro erholte sich leicht auf 1,34 US-Dollar. Doch haben die Hilfszusagen der Euroländer unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) auch einige Fragen aufgeworfen. | Beschluss der Euro-Gruppe im Wortlaut | Videos vom EU-Gipfel | Anteile der Euro-Länder für Griechenland-Hilfe | Europa 2020 - Probleme mit der Armutsbekämpfung | Taube Constancio sorgt für Ausgleich in Zentralbank
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Ziemlich kompliziert mutet etwa der Mechanismus an, der zur tatsächlichen Freigabe der Hilfskredite im äußersten Notfall führen würde.
Dieser tritt im Wesentlichen dann ein, wenn die Griechen auf dem Finanzmarkt keine Anleihen mehr zu leistbaren Zinssätzen unterbringen. Laut den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs müsste Athen dann um Hilfe anfragen, was bisher dezidiert noch nicht geschehen ist. Anschließend müssten die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) analysieren, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt. Ist das der Fall, wäre noch ein einstimmiger Beschluss der 16 Eurozonen-Länder für das Anlaufen der Hilfsmaßnahmen notwendig.
Parallel gelte es noch, mit dem IWF gemeinsame Konditionen für das Kreditpaket auszuarbeiten, erklärte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Für diesen Kriterienkatalog seien "sehr detaillierte Verhandlungen" nötig.
"Absolutes Neuland"
Wie lange die dauern könnten, sei schwierig zu sagen, weil absolutes Neuland betreten werde. Im Idealfall werde es aber auch nicht so weit kommen: "Das Modell lebt von seiner politischen Wirkung", sagte Faymann. "Wenn es funktioniert, dann brauchen wir den Mechanismus gar nicht."
Auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet, der sich lange gegen Hilfen für Griechenland gesperrt hatte, begrüßte das am EU-Gipfel verabschiedete Konzept. Dieses helfe Griechenland, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, meinte er. So könne Athen bald wieder zu niedrigeren Zinsen Geld am Finanzmarkt aufnehmen. Bei der letzten Anleihetranche Anfang des Monats mussten die Griechen noch 6,4 Prozent Zinsen anbieten, um Käufer zu finden.
Der schließlich gefundene Kompromiss basierte auf einer deutsch-französischen Einigung, bei der die deutsche Kanzlerin Angela Merkel so gut wie alle ihre Forderungen untergebracht hatte. Sie betonte, dass Hilfskredite kein Subventionselement enthalten dürften - also zu einem marktnahen Zinssatz vergeben würden. Zudem konnte sie eine Arbeitsgruppe durchsetzen, die noch vor Jahresende eine Analyse vorlegen soll, wie die Überwachung von wirtschaftlichen Risiken und Haushaltsrisiken und deren Vorbeugung verstärkt werden könnten.
Darunter fallen auch die Verfahren des Euro-Stabilitätspakts; es dürfe keine Tabus geben, meinte Merkel. Alle Optionen von Strafzahlungen, EU-Mittel- und Stimmrechtsentzug für notorische Stabilitätssünder bis zu deren Ausschluss scheinen auf dem Tisch. "Meiner Meinung nach werden wir nicht an einer Vertragsänderung vorbeikommen", man dürfe sich nicht "im Turm seiner schlimmen Erfahrungen einmauern", sagte die Bundeskanzlerin mit Blick auf das jahrelange Tauziehen um den Lissabonner Vertrag.
"Ist letzter Ausweg"
Weniger kompliziert als Faymann sieht Antonio Missiroli vom Brüsseler Think Tank "European Policy Centre" den Notfallplan. Die Bedingungen für die Freigabe der Kredite seien nur für die deutsche Innenpolitik vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen so detailliert und ausführlich niedergeschrieben worden, sagte der Politologe zur "Wiener Zeitung". Tatsächlich handle es sich bei den kombinierten Krediten nur um einen letzten Ausweg, den niemand wirklich gehen wolle. Sollten die Griechen aber tatsächlich um Hilfe ansuchen, sei eine Aktivierung der Kredite sehr rasch möglich. Dass die Griechen nicht mehr sparen können, sei bereits geklärt und müsste nicht noch einmal überprüft werden. Die Analyse, ob es sich tatsächlich um einen Notfall handelt, könne sehr schnell vorgenommen werden. Die einstimmige Entscheidung der Euroländer dauere per Umlaufbeschluss nur wenige Stunden. "Vergessen Sie nicht, dass die gemeinsamen Maßnahmen der EU und des IWF für Ungarn letztes Jahr innerhalb von 24 Stunden vorgenommen wurden", so Missiroli.
Klar sei auch, dass es sich bei dem Mechanismus nicht um einen Präzedenzfall irgendeiner Art handle: Einige wollten künftig den IWF nicht in der Eurozone, Deutschland überhaupt keine weiteren Rettungsaktionen von Euroländern. "Deshalb wurde auch die Arbeitsgruppe einberufen, das ist ein starker Ruf nach einem neuen Modell für die Euro-Stabilität", sagte der langjährige EU-Kenner.