Zum Hauptinhalt springen

"Euro oder Krieg in zehn Jahren"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Französische Banken von Moody’s herabgestuft. | Merkel und Sarkozy halten "Griechenland für unzertrennlichen Teil der Eurozone."


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. Keinen Zweifel an der Dramatik der Krise in der Eurozone ließ am Mittwoch Jacek Rostowski, Finanzminister des amtierenden EU-Vorsitzlandes Polen: "Europa ist in Gefahr", sagte er. "Die Eurozone muss gerettet werden." Ein Scheitern würde die EU nicht überdauern. Sogar ein Krieg sei in der Folge nicht auszuschließen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass es soweit kommt", sagte der Minister, dessen Land kein Mitglied der Eurozone ist. Während auch der Internationale Währungsfonds (IWF) "sofortiges entschiedenes Handeln" von den Europäern verlangte, und US-Finanzminister Timothy Geithner in einem CNBC-Interview bekundete, dass sich Europas Politiker bewusst seien, mehr tun zu müssen, nahmen die US-Ratingagenturen die französischen und sogar die deutschen Banken ins Visier.

Wegen der griechischen Schuldenkrise senkte Moody’s die Ratings für die französischen Großbanken Société Générale und Crédit Agricole jeweils um eine Stufe auf Aa3 und Aa2. Beide Geldhäuser haben nicht nur viele Milliarden Euro Staatsanleihen von Griechenland im Portfolio, sondern betreiben dort direkt Bankgeschäfte. Frankreichs größte Bank BNP Paribas hält vorläufig weiter bei Aa2, der Ausblick sei jedoch negativ, teilte Moody’s mit.

Die Abstufungen sind ein Rückschlag für den zuletzt ohnehin angezählten französischen Bankensektor, der besonders stark im taumelnden Griechenland exponiert ist. Die Aktienkurse der Institute gaben am Mittwoch abermals nach. Selbst den deutschen Banken mit ihren ebenfalls hohen griechischen Engagements könnte eine Ausweitung der Krise schlecht bekommen, warnte wiederum Standard & Poor’s.

Ein weiteres Alarmsignal ist, dass zwei europäische Banken große Dollarbeträge (575 Millionen) bei der Europäischen Zentralbank abrufen mussten. Das deutet darauf hin, dass ihnen die US-Institute misstrauen und kein Geld mehr borgen - und erinnert fatal an die Phase nach der Lehman-Pleite vor exakt drei Jahren.

Auf einen Freund aus der Bankenbranche berief sich Finanzminister Rostowski bei seinem Albtraumszenario: "Nach derartigen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen kommt es selten so, dass man zehn Jahre später noch eine Kriegskatastrophe verhindern kann. Ich denke ernsthaft daran, eine Greencard (Arbeitsbewilligung für die USA) für meine Kinder zu erwerben", zitierte er die Worte eines anonym gebliebenen Chef "einer großen polnischen Bank". Wenn die Eurokrise noch ein bis zwei Jahre anhalte, sei mit einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu rechnen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy seien "überzeugt, dass die Zukunft Griechenlands in der Eurozone ist". Das teilte die deutsche Regierung am Mittwochabend in Berlin nach einer etwa 20-minütigen Telefonkonferenz Merkels und Sarkozys mit dem griechischen Regierungschef Giorgos Papandreou mit. Aus Athen hieß es nach dem Telefonat, Griechenland werde das ihm verordnete harte Sparprogramm einhalten. Man äußerte sich erfreut über die Betonung, "dass Griechenland unzertrennlicher Teil der Eurozone ist."

Euroschirm muss in Österreich warten

Nicht erfolgreich war indessen der erste Anlauf, die Ausweitung des Eurorettungschirms auf die Tagesordnung des Nationalrats zu heben. Die nötige Zweidrittelmehrheit im Finanzausschuss kam nicht zustande. Konkrete Probleme für einen Beschluss zur Aufstockung des heimischen Anteils auf 21,6 Milliarden Euro sind dennoch nicht zu erwarten, da im Nationalrat die einfache Mehrheit der Koalition ausreicht. Dennoch haben die internationalen Börsen - in einer offensichtlichen Fehlinterpretation - sofort mit einem Kursrutsch auf die Fußnote aus Österreich reagiert. Der Schock war nur von kurzer Dauer.