Österreich müsste 540 Millionen Euro Strafe zahlen. | Widerstand aus Frankreich. | Brüssel. Mit Spannung war das Gesetzespaket zur Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts und für stärkere wirtschaftliche Koordination in der Eurozone erwartet worden. Am Mittwoch stellten es Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Wirtschaftskommissar Olli Rehn formell vor. Erstmals werde es Sanktionen geben, die auch greifen, erklärte Barroso. Ziel der Reform ist es vor allem, die Einspruchsmöglichkeiten der Mitgliedsländer gegen EU-Haushaltsstrafverfahren und deren Sanktionen einzuschränken.
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So soll die Kommission künftig nicht nur bei Überschreiten der Drei-Prozent-Grenze beim jährlichen Defizit, sondern auch bei einer Gesamtverschuldung von mehr als 60 Prozent ein Verfahren einleiten können. Dabei sollen außergewöhnliche Umstände wie die aktuelle Wirtschaftskrise mildernd gewertet werden. Zusätzliche Schärfe erhalten die Vorschläge durch frühzeitige finanzielle Auswirkungen für Euroländer. "Erhebliche Abweichungen von einer vorsichtigen Haushaltpolitik" setzen eine abgestufte Sanktionsmaschinerie in Gang.
0,2 Prozent derWirtschaftsleistung
Zuerst muss der Mitgliedsstaat einen Betrag in der Höhe von 0,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung als verzinste Einlage in Brüssel hinterlegen. Für Österreich wären das rund 540 Millionen Euro. Befolgt das Land die Empfehlungen der Kommission weiter nicht, werden ihm die Zinsen gestrichen. Am Ende der Prozedur wird die gesamte Summe als Strafe einbehalten.
Die jeweiligen Beschlüsse der Kommission sollen Rechtskraft erlangen, wenn sie nicht innerhalb von zehn Tagen von einer qualifizierten Mehrheit der Staaten verhindert werden. Diese Mehrheit zusammenzubekommen, sei äußerst schwierig wenn nicht unmöglich, erklärte ein EU-Diplomat. Der Mechanismus entspricht daher de facto einer automatischen Einleitung von EU-Verfahren nach Beurteilung der Kommission. Strafen in der Höhe von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung kann es künftig auch dann setzen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes völlig aus dem Rahmen fällt.
Fälle wie Griechenland künftig verhindern
In Frage kämen Lohn-Stück-Kosten oder die Entwicklung der Immobilienpreise, erklärte Rehn. Mit der Verschärfung des Stabilitätspakts sollten künftig Fälle wie Griechenland verhindert werden, das im Frühjahr in die Pleite rutschte. Mit dem neuen Verfahren bei "makroökonomischen Ungleichgewichten" Fälle wie Spanien und Irland, sagte er. Beide hätten zu Beginn der Krise gesunde Finanzen gehabt, seien aber wegen der Immobilienkrise in Schieflage geraten. Derzeit laufen gegen fast alle Mitgliedsstaaten Defizitverfahren nach dem derzeit gültigen System, das erst ganz am Ende Strafen vorsieht, die daher noch nicht verhängt wurden. Diese Verfahren wären von den Neuregelungen nicht betroffen, wenn das neue Gesetzespaket wie geplant Mitte 2011 oder Anfang 2012 in Kraft treten sollte. Bis dahin müsste noch eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament zustimmen. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat Rehn freilich bereits ausgerichtet, dass sie von quasi automatischen Sanktionen gar nichts hält. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle lobte die strengen Vorschläge dagegen in Vertretung des erkrankten Finanzministers Wolfgang Schäuble.