Zum Hauptinhalt springen

Euro-Rettung als Zankapfel

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Dämpfer für Regierungskoalition in Berlin bei EFSF und Griechenland-Paket.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Berlin/Karlsruhe. Die Hilfsmaßnahmen zur Rettung des Euro sorgen in Deutschland für Unruhe. Zwar wurde die zweite Tranche des Griechenland-Hilfspaketes vom Bundestag ohne Probleme verabschiedet, Rebellen aus den Reihen der Regierungskoalition sorgten aber dafür, dass die sogenannte Kanzlermehrheit verfehlt wurde. Und am Dienstag folgte ein weiterer Rückschlag: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilte, dass ein Gremium, das dringende Euro-Hilfsmaßnahmen beschließen soll, teilweise verfassungswidrig ist.

Die Richter sehen das neunköpfige Sondergremium als zu klein an, um der "haushaltspolitischen Verantwortung des Bundestags" gerecht zu werden. Wenn bestimmte Aufgaben an Ausschüsse übertragen würden, müssten diese immer ein "verkleinertes Abbild" des Parlaments sein und dessen politische Gewichtung widerspiegeln.

Das Sondergremium sollte vertrauliche oder eilige Entscheidungen über Finanzhilfen für notleidende Euro-Staaten aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF treffen. Nur in einem Sonderfall hielten die Karlsruher Richter die Kleinheit und Vertraulichkeit des Gremiums für gerechtfertigt - wenn es nämlich um Entscheidungen darüber geht, dass Staatsanleihen durch den EFSF an den Börsen gekauft werden sollen. Der Kauf von Staatsanleihen auf den Finanzmärkten gilt als besonders sensibel, weil sich Spekulanten bei Bekanntwerden darauf einstellen könnten. Sowohl in der Regierung als auch bei den Grünen zeigte man sich daher zufrieden damit, dass zumindest dieser Teil der Verfahrensregelung hält.

Die Regierungsfraktionen, die rasche Nachbesserung versprachen, sahen dadurch sogar eine grundsätzliche Verfassungskonformität der Gremiums gegeben, während die SPD von einem "Scherbenhaufen" der Regierungspolitik sprach. Es waren zwei SPD-Abgeordnete, die geklagt hatten, weil sie sich in ihren Rechten als Parlamentarier beschnitten sahen.

Abweichler mehren sich

Die Opposition sah aber auch in dem Abstimmungsverhalten der schwarz-gelben Koalition zum Griechenland-Paket Anzeichen dafür, dass Kanzlerin Angela "Merkel ihre Regierung nicht mehr im Griff" hat, wie SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles formulierte. Sie bezog sich damit auch auf die Äußerungen von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vom Wochenende, der einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone befürwortet hatte.

In der Abstimmung am Montagnachmittag hatte das Griechenland-Hilfspaket zwar dank der Unterstützung durch Sozialdemokraten und Grüne eine deutliche Mehrheit von 496 Pro- und 90-Kontra-Stimmen, aber die Zahl der Abweichler aus den Regierungsparteien ist gegenüber dem Abstimmung über den EFSF im September 2011 gestiegen. Damals waren 15 Koalitionsabgeordnete dagegen, diesmal stimmten 20 dagegen oder enthielten sich. Erstmals wurde damit die Kanzlermehrheit bei einer wichtigen Euro-Abstimmung verfehlt.

Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl warnte unterdessen davor, das Ziel des geeinten Europas aus den Augen zu verlieren. Die "bösen Geister der Vergangenheit" seien nicht gebannt, schrieb der 81-Jährige in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. Europa bleibe "eine Frage von Krieg und Frieden".