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Dijsselbloem irrt: Ein "Modell Zypern" zur Krisenbewältigung gibt es nicht.
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Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben. Das mag sich der - noch nicht lange amtierende - Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem in den vergangenen Tagen mehrmals gedacht haben. Er hätte sich böse Kommentare und heftige Finanzmarktreaktionen ersparen können. Stein des Anstoßes: Dijsselbloem hatte die Beteiligung von Banken-Gläubigern und Anlegern an der Sanierung Zyperns als Modell für künftige Hilfsaktionen in Europa bezeichnet. Eine unbedachte Aussage und sachlich falsch obendrein.
Warum? Unbedacht, weil so etwas ein niederländischer Finanzminister, nicht aber ein Chef der Eurogruppe sagen darf. Dijsselbloem hätte wissen müssen, dass er damit die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt - und potenziell die (wenigen verbliebenen) Übersee-Investoren aus Europa vertreibt. Zumal er die Aussagen gegenüber jenen Medien getätigt hatte, die von Finanzmarktakteuren in aller Welt wahrgenommen werden.
Dort hatte die Zypern-Berichterstattung im Verlauf der vergangenen beiden Wochen ohnehin schon eine völlig überzogene Tonalität und Dimension angenommen. Wer Wirtschaftskanäle wie CNBC oder Bloomberg verfolgt, erhält den Eindruck, als hinge Gedeih und Verderb des alten Kontinents von dieser Insel im Mittelmeer ab. Das tut es natürlich nicht und Europäern ist das intuitiv bewusst. Bei US-Investoren kann man hingegen nicht das Wissen voraussetzen, dass Zyperns Wirtschaftsleistung kleiner ist als jene des schwächsten US-Bundesstaates (das ist Vermont mit etwa 625.000 Einwohnern und 26 Milliarden Dollar BIP).
Ignoranz gegenüber Europa
Wie wenig Wall-Street-Akteure über Europa wissen, zeigt eine Anekdote von einer Konferenz, bei der über Osteuropa diskutiert wurde. Der Chef einer der größten US-amerikanischen Fondsgesellschaften - ein Mann, dessen Urteil entscheidet, wo zig Milliarden Dollar Anlegergeld investiert oder abgezogen werden - stellte danach im kleinen Kreis verblüfft die Frage: "Warum war eigentlich immer von 1989 die Rede?" Wen wundert es da, wenn US-Investmentprofis agieren, als existiere der Ostblock noch - oder als wären Zyperns Probleme der finale Stoß für die Währungsunion.
Dijsselbloem muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Fall Zypern übergroße Bedeutung verliehen zu haben. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn diejenigen, die hohe Risiken eingegangen sind, immer die Kosten tragen müssten. Als Blaupause kann Zypern aber schon deshalb nicht dienen, weil diese Lösung bei anderen Krisenländern wie Italien wohl einen Gutteil des europäischen Bankensektors ausradieren würde. Anders als bei der kleinen Insel wären die Dominoeffekte kaum beherrschbar.
Die Eurozone und mehr noch die Europäische Zentralbank haben bisher pragmatisch agiert und bei den Rettungsaktionen maßgeschneiderte Lösungen gesucht. Zu Recht. Den Anzug von der Stange, der allen passt, gibt es nicht. Es wäre zudem ein grober strategischer Fehler, den politischen Handlungsspielraum von vornherein einzuschränken. So ist es kein Zufall, dass EZB-Chef Mario Draghi die exakten Bedingungen für seine stärkste Waffe, das neue Anleihenkaufprogramm, im Ungefähren belässt (woran bei der letzten EZB-Pressekonferenz ein Journalist der "Financial Times" verzweifelt ist).
Alles, was Europas Handlungsspielraum einschränkt, wäre kontraproduktiv. Pauschale Ankündigungen sollte man deshalb generell mit Vorsicht genießen - auch die Beteuerungen, der Schuldenschnitt in Griechenland werde ein Einzelfall bleiben. Wetten würde ich darauf nicht abschließen.