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Basler Ökonom Rolf Weder äußert zum Jubiläum Skepsis über Zukunft des Euro.
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"Wiener Zeitung":Der Euro ist seit zehn Jahren im Umlauf. Welches Zeugnis stellen Sie ihm aus?Rolf Weder: Der Euro ist bis vor ungefähr einem Jahr überraschend gut dagestanden. Die Inflation lag unter zwei Prozent, gegenüber anderen Währungen war er eine ganze Zeit lang stärker, als man aus ökonomischer Sicht hätte voraussehen können. Die problematische Entwicklung der letzten Monate hat mit dem Konstrukt der Währungsunion als solche zu tun. Beat Spirig und ich haben das in unserem neuen Buch "Von Rosinen und anderen Spezialitäten" so ausgedrückt: Der Euro war ein Politstar, aber aus ökonomischer Sicht ein Sorgenkind seit seiner Geburt.
Liegt die krisenhafte Entwicklung der vergangenen Monate also am Konzept der Gemeinschaftswährung und nicht so sehr an dessen Handhabung?
Die Europäische Währungsunion führt grundsätzlich dazu, dass die einzelnen Mitgliedsländer ihre nationale Konjunktur nicht mehr mit einer eigenen Geldpolitik beeinflussen können. Zudem verliert man mit dem Beitritt zur Eurozone einen wichtigen Anpassungsmechanismus, den Wechselkurs. Damit bleibt den Ländern zur Beeinflussung ihrer Konjunktur nur die staatliche Ausgaben- beziehungsweise Fiskalpolitik. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass die einzelnen Länder die Maastricht-Kriterien für die Euro-Stabilität von Beginn an nicht eingehalten haben. Insofern hat die Politik versagt.
Sie sprechen vom Ignorieren der Stabilitätskriterien, die eine Grenze der Staatsverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt vorsehen und die Aufnahme neuer Kredite von mehr als drei Prozent des Budgets verbieten . . .
Das ist richtig. Es gibt aber noch einen dritten wichtigen Punkt. Man hat sehr klug vorausgesehen, dass der Anreiz in einer Währungsunion groß ist, dass sich einzelne Länder auf Kosten der anderen Staaten überschulden. Deshalb wurde zusätzlich die No-Bail-out-Klausel eingebaut. Sie besagt, dass ein überschuldetes Mitglied bei Problemen auf den Märkten von der Gemeinschaft nicht gestützt werden darf. Mit dieser Regel wollte man ein klares Signal an die Märkte und die Länder senden, dass keine Solidarhaftung besteht. Aber auch diese Klausel wurde ignoriert.
Was war die Folge?
Wenn man die No-Bail-out-Klausel von Anfang an ernst genommen hätte, hätten die Banken Staaten wie Griechenland oder Italien relativ frühzeitig Kredit nur noch zu hohen und bald auch unerschwinglichen Zinsen eingeräumt. Dieser Mechanismus ist leider nicht eingetreten. Die Märkte haben von Anfang an erwartet, dass Euroländer in Not unterstützt würden. Die Politik hat auf diese Solidaritätsabsicht auch mehrmals hingewiesen und mit der Errichtung des Rettungsschirms nun auch in die Tat umgesetzt. Aber aus ökonomischer Sicht hätte es einen anderen Weg gegeben, nämlich Griechenland schon vor einem Jahr bankrottgehen zu lassen. Das hätte sicher auch zu einer vorübergehenden Schwächung des Euro geführt. Aber die Gläubiger hätten sich schnell mit dem Schuldner an einen Tisch gesetzt und einen Schuldenschnitt ausgehandelt. Das wird jetzt reichlich spät schließlich doch diskutiert.
Der jüngste EU-Gipfel hat das Signal ausgesandt, durch automatische Sanktionsmechanismen den Sparzwang zu verschärfen. Werden die Beschlüsse ausreichen?
Durch die Gipfelbeschlüsse ist die Grundproblematik der Währungsunion nicht beseitigt. Wenn die neuen Stabilitätsvereinbarungen wirklich eingehalten werden - woran ich nach den bisherigen Erfahrungen große Zweifel hege -, bleibt immer noch das Korsett der einheitlichen Währung für Länder mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft bestehen.
Welche Alternativen gibt es noch?
Man könnte viel Geld drucken und damit Inflation verursachen. Mit der Geldentwertung sinken auch die Staatsschulden. Bezahlen müssten das aber die Bürger, weil auch ihre Einkommen und ihre Ersparnisse real weniger sind. Dazu kommt, dass es auch teuer wird, die Inflation schließlich wieder zu reduzieren. Das wäre dann auf jeden Fall mit einer größeren Rezession verbunden. Eine andere Alternative wäre die Rückkehr zu nationalen Währungen, damit die Länder wieder selbständig über ihre Schulden und ihre Geldpolitik entscheiden und Anpassungen über den Wechselkurs erfolgen können.
Gibt es nach Ihrer Einschätzung den Euro in einem Jahr noch?
Ich habe den Eindruck, dass die Politik extrem viel Geld investieren will, um das Projekt Gemeinschaftswährung vor dem Scheitern zu bewahren. Die Frage ist aber, ob die Bevölkerung vor allem im Norden der Eurozone diese Umverteilung in Richtung Südeuropa mitmacht. Wenn es den Euro weiter geben sollte, dürfte sich die EU enorm verändern in Richtung Fiskal- und Transferunion mit starren Regeln. Das ist aber nicht das Europa, das ich attraktiv finde.