Zum Hauptinhalt springen

Euro-Sorgenkinder fallen weit zurück

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Viele Stolperfallen für Griechenlands Aufholjagd: Das Land ist in den letzten Jahren konstant zurückgefallen. Foto: reu

Größte Hemmnisse sind die Bürokratie, Korruption, unflexible Arbeitsmärkte. | Griechenland ist Euro-Schlusslicht, auch Portugal, Italien, Spanien sacken ab. | Wien. Schulden sind nicht gleich Schulden: Wer ein Minus auf dem Konto hat, kann ein Haus gebaut, ein Auto gekauft oder sein Geld im Kasino verspielt haben. Jedem wird einleuchten, dass diese "Investitionen" nicht gleich sinnvoll sind.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der Schuldenkrise: Um die Problemländer zu identifizieren, wird meist nur auf die Budgetdefizite und die Schuldenquote (den Anteil der Gesamtaußenstände an der Wirtschaftsleistung) geschaut. Das sind wichtige Indikatoren, sie erlauben aber nur eine rein quantitative Beurteilung und sagen nichts über die künftige Wirtschaftsentwicklung aus.

So wäre es denkbar, dass die Schulden durch hohe Investitionen in wachstumsrelevante Bereiche - wie Forschung, Bildung, Infrastruktur - zustande gekommen sind und das Land einen Aufholprozess startet. Die Wettbewerbsstärke von heute ist das Wachstum von morgen, deshalb ist diese Kategorie so entscheidend.

Lohnkosten sind im Wettbewerb nicht alles

In der Debatte über die Ungleichgewichte der Eurozone fällt der Begriff zwar häufig, allerdings mit sehr eingeschränkter Bedeutung: Gemeint ist zumeist nur die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die in den Problemländern ("Piigs": Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) durch eine über die Jahre zu großzügige Lohnentwicklung gelitten habe. Diese Länder sollten demnach die Löhne kürzen und auf Produktivitätsfortschritte achten.

Die Lohnstückkosten sind im internationalen Wettstreit aber nicht alles: Um beurteilen zu können, wie leistungsfähig die Wirtschaft eines Landes aufgestellt ist, müssen auch Faktoren wie der Standort, die infrastrukturelle Ausstattung, die politische Stabilität, die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder die Ausbildung der Arbeitskräfte berücksichtigt werden.

Korruption in Athen ist "besorgniserregend"

Mehrere Institutionen und Studien versuchen genau das: Sie beurteilen, wie wirtschaftsfreundlich oder -feindlich Volkswirtschaften sind. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu: Die Kluft zwischen den Ländern der Eurozone wird sich zumindest in naher Zukunft nicht schließen. Die Sorgenkinder der Gemeinschaftswährung fallen nämlich auch bei der Wettbewerbsfähigkeit deutlich hinter die stärksten Länder zurück (Details siehe Tabelle unten).

Erneut einsames Euro-Schlusslicht: Griechenland. Der hochverschuldete Ägäis-Staat ist in den Rankings durch die Bank zurückgefallen - und das teilweise dramatisch: Das Weltwirtschaftsforum (Davos) führt das EU-Land in Sachen Wettbewerb nur noch auf Platz 71 von 133 Staaten, knapp vor Kroatien, Marokko und Namibia. 2002 lag das Land noch auf Platz 36.

Einzig bei der Gesundheit und Ausbildung erreichen die Griechen die Standards eines fortschrittlichen Industriestaats. Bei der Innovation, Infrastruktur und der Effizienz ihrer öffentlichen Institutionen hinken sie weit hinterher: Ein Hauptproblem ist die überbordende Bürokratie.

Dem unflexiblen Arbeitsmarkt hat der Internationale Währungsfonds (IWF) den Kampf angesagt - Eingriffe in die Arbeitsbedingungen gehörten in der Vergangenheit stets zu den umstrittensten Maßnahmen des Fonds. Um den Auflagen für die Hilfskredite von IWF und Eurozone zu entsprechen, werden die Griechen aber um Zugeständnisse nicht herumkommen. Sie fürchten, dass der Kündigungsschutz massiv gelockert oder gar ganz abgeschafft wird.

Auch bei der fest im Alltag verankerten Schwarzarbeit und Korruption muss die Regierung von Giorgos Papandreou in der Not zur Tugend finden. So sollen Quittungen künftig strikt kontrolliert werden. Die Organisation Transparency International hatte die Lage nach einer Serie von Bestechungsfällen 2009 als "besorgniserregend" beschrieben: Korruption werde kaum verfolgt, die Prozesse verzögerten sich jahrelang. "Der Fall Griechenland zeigt, dass ein EU-Beitritt nicht automatisch die Korruption verringert", folgern die Experten.

Irland konkurrenzfähig, aber hoch verschuldet

Verglichen damit sind Italien, Portugal und Spanien besser positioniert, auch sie sind aber stetig zurückgefallen. Ein Sonderfall ist Irland, das in fast allen Kategorien besser abschneidet als Österreich. Kein Wunder: Eine betont liberale Wirtschaftspolitik hatte der noch vor wenigen Jahren als "keltischer Tigerstaat" gefeierten Insel einen Boom sondergleichen beschert: Die Wachstumsraten lagen von 2000 bis 2007 zwischen 4,4 und 9,4 Prozent. Das Land verzeichnet hohe Außenhandelsüberschüsse.

Dadurch verfügt die irische Bevölkerung immer noch über weit überdurchschnittliche Einkommen und Kaufkraft - diese ist allerdings 2008 gegenüber dem EU-Schnitt schon um 12 Prozentpunkte gefallen. Zum Nachzügler machten die grüne Insel die desolaten Finanzinstitute. Rekordausgaben von 350 Milliarden Euro für die Bankenrettung rissen ein Riesenloch in die Staatskasse, das Budgetdefizit schnellte auf 14,3 Prozent und übersteigt sogar jenes von Griechenland.

Auch bei der Wettbewerbsfähigkeit fällt Irland zurück. Der Bericht der Schweizer Kaderschmiede IMD führte die Iren 2000 auf Platz 5, mittlerweile liegen sie nur noch auf 19.

Österreich ist in allen Ranglisten abgesackt

Die Spitzenreiter und wettbewerbsstärksten Staaten der Welt sind übrigens die Schweiz (laut WEF), USA (IMD) oder Singapur (Weltbank). Durchwegs Topplätze erreichen neben Hongkong auch die skandinavischen Länder Schweden, Dänemark und Finnland.

Österreich liegt jeweils im erweiterten Spitzenfeld, hat aber keinen Grund, sich auszuruhen: Das Land ist zuletzt in allen vier Rankings zurückgefallen.