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Euro-Technik statt EU-Politik

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Mit einer Fülle von technischen Maßnahmen will sich Europa selbst aus dem Sumpf ziehen. Mit speziellen Klauseln in den Bedingungen für Euro-Anleihen ab Sommer 2013. Oder mit einem ziselierten Berichtswesen, das die Berechnung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes erleichtern soll.


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Das alles eingepackt in Strukturen, die sich "European Financial Stabilisation Mechanism", "European Financial Stability Facility" oder ab 2013 dann "European Stability Mechanism" nennt. Dazu kommt die Verschärfung des europäischen "Stability and Growth Pact".

Die Vorgangsweise ist taktisch clever, ob es das politische Defizit dauerhaft ersetzt, sei dahingestellt. Die Optimisten glauben, dass all die Maßnahmen dazu führen werden, dass sich die "schlechten" Länder ob ihrer schlechten Zahlen schämen, und sich anstrengen aufzuholen. Umso mehr, als ein dauerhaftes Hinterherhecheln dazu führen könnte, dass EU-Förderungen sistiert werden. Dies wiederum könnte in manchen Fällen zur Insolvenz eines Landes führen, und nach den aktuellen Erfahrungen werden dies Regierungen tunlichst vermeiden wollen. Alles wird besser.

Die Pessimisten sagen, das sei alles zu kompliziert. Die Märkte würden es nicht glauben, denn es gibt keinen politischen Willen, Europa zu einen und notwendige Harmonisierungen herbeizuführen. Ohne politischen Durchbruch würden die technischen Maßnahmen Stückwerk bleiben.

Wer recht behalten wird, wird sich in den kommenden Tagen weisen. Die jetzt gesetzten Maßnahmen werden am 16. Dezember beim EU-Gipfel offiziell auf die Reise geschickt. Ob die Finanzmärkte der EU diese Schonfrist geben? Vor 18 Tagen wehrte sich Irlands Politik noch offiziell, unter den Euro-Schutzschirm zu schlüpfen, jetzt kriegen sie 67,5 Milliarden Euro - so kurzfristig ist das Geschäft geworden.

Und dazu kommt noch das - ob dieser Komplexität - wachsende Unbehagen der Bürger. Ob die Botschaft Irlands: Wir räumen den staatlichen Pensionsfonds aus, um zwei schwer angeschlagene irische Banken zu kapitalisieren, in Europa insgesamt gut ankommt, darf bezweifelt werden. Denn die Bürger denken europäischer als viele Politiker glauben: Maßnahmen in Irland werden mittlerweile durchaus auch in anderen hochverschuldeten Ländern mit Protest quittiert - solche könnten ja auch sie treffen.