Zum Hauptinhalt springen

Euro und Öl, Gott erhalt’s

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

1,1725. Mit diesem Wechselkurs zum US-Dollar ist der Euro am Mittwoch knapp unter jenen Wert gefallen, mit dem er am 4. Jänner 1999 den ersten Handelstag begonnen hat. Der Ölpreis liegt bei 46,50 Dollar, Benzinpreise in Österreich unterschreiten gerade die 1-Euro-Marke.

Alles zusammen wirkt wie ein geschenktes Konjunkturprogramm. Exportunternehmen in den Euroländern sind angesichts des niedrigen Euro konkurrenzfähig wie lange nicht. Und der Ölpreis entlastet Industrie, Konsumenten und Leistungsbilanz südeuropäischer Länder.

Das Ganze ist eingebettet in eine Phase praktisch inexistenter Zinsen. Die Rendite einer fünfjährigen österreichischen Bundesanleihe liegt bei 0,025 Prozent, billiger war das Geld noch nie. Das ist in neun anderen Euroländern ähnlich.

Eigentlich müssten die Wachstumsraten in Europa deutlich nach oben zeigen, recht viel besser geht es nicht. Tun sie aber nicht.

Aus einem simplen Grund: Europa spart. Die Staaten sparen, die Unternehmen sparen, die Bürger sparen.

Es gibt wohl kaum eine dümmere Reaktion auf ein solches Umfeld. Zusätzlich hat der EuGH den Weg für die Europäische Zentralbank (EZB) freigemacht, in enormem Ausmaß Staatsanleihen zu kaufen. Wer also nun behauptet, es stehe eine Eurokrise bevor und der Währungsraum würde zerbrechen, ist entweder völlig uniformiert, heißt Hans-Werner Sinn oder ist ein deutscher Politiker, dem das Wort "Grexit" gefällt.

Mit den bevorstehenden Anleihenkäufen kann die EZB Griechenland vollkommen abschirmen, "Grexit" ist eine leere Polit-Formel.

Leider wird sie in Europa gerne aufgenommen, und die bestehende Verunsicherung der Bürger wird dadurch nicht kleiner. Anstatt also in diesem Umfeld die Gelegenheit am Schopf zu packen, verharrt Europas Wirtschaft in Angst. Die EU-Kommission und der Europäische Rat tun das Ihre dazu und beschwören unverdrossen Budgeteinsparungen. Das tut übrigens auch die EZB, obwohl deren sonst so klug agierender Chef Mario Draghi es besser wissen müsste.

Gerade jetzt müssten aber die öffentlichen Haushalte mit Investitionen beginnen. Niedriger werden Zinsen, die sich bei null bewegen, nicht.

Es besteht also die Gefahr, dass Europa erneut eine Chance vorbeigehen lässt - die Chance, die Arbeitslosigkeit signifikant nach unten zu drücken. Es wäre schade drum, sehr schade.