Zum Hauptinhalt springen

Euro-Verteidigung bleibt ein Kampf an mehreren Fronten

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Athen/Brüssel. Also doch Antonis Samaras. Das Aufatmen in Brüssel, dass nun der konservative Parteichef bei den Verhandlungen über die Sparauflagen am Tisch sitzen dürfte, hält sich in Grenzen. Der Wahlsieger gilt als berechenbarer als Alexis Tsipras von der linksradikalen Syriza-Koalition, war aber auch immer für abrupte Schwenks gut. So hat er die Nerven der Brüsseler Beamten hart strapaziert, als er Sparzusagen bis über den (ersten) Wahltermin hinaus machen sollte. Samaras weigerte sich erst hartnäckig, seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen, wollte Zugeständnisse herausschinden. Und knickte dann doch ein.

Als sehr reformfreudig haben sich die Traditionsparteien Nea Dimokratia (ND) und Pasok bisher auch nicht erwiesen. Die sozialistische Pasok-Regierung von Giorgos Papandreou hatte zwar die Sparauflagen relativ flott umgesetzt. Das brachte allerdings die Wirtschaftsleistung auf Sinkflug. Nach den Plänen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hätte dieser absehbare Absturz durch einen Wachstumsschub aus Strukturreformen kompensiert werden sollen. Diese blieben allerdings auf der Strecke.

Wobei: Es war von Anfang an illusorisch, eine jahrzehntelange Misswirtschaft binnen weniger Monate auf Vordermann zu bringen - selbst bei größtem Reformeifer. Möchte man dem IWF und der EU-Kommission nicht ökonomisches Unvermögen unterstellen, lässt das nur einen Schluss zu: Es wurde im Mai 2010 das Notwendige (jahrzehntelange Reformen) übersetzt in das Erreichbare (ein zunächst auf drei Jahre begrenztes Hilfspaket). Nun ist nach zwei Hilfspaketen und dem Schuldenschnitt unter privaten Anleihengläubigern immer noch kein Ende absehbar - Griechenland wird weitere Hilfe brauchen. "Kicking the can a little bit further down the road", lautet das Szenario: Weiterwurschteln also.

Ein Scheitern der griechischen Regierungsbildung und ein dritter Wahlgang sind unwahrscheinlich: Das könnte die einstigen Großparteien ND und Pasok endgültig von der Bildfläche fegen.

Künftige Regierung steht

als Marionette Brüssels da

Die Aussichten für die künftige Regierung sind ohnehin schlecht. Die EU-Kommission könnte ihr zu Glaubwürdigkeit und Rückhalt der Bevölkerung verhelfen, indem sie die Sparauflagen für die Griechen lockert. Wie sich abzeichnet, werden aber nur die Fristen für die Rückzahlung der Hilfskredite gestreckt. Davon wird die Bevölkerung gar nichts merken.

Nicht nur Tsipras, auch Samaras hatte den Wählern weit mehr versprochen, als er einlösen kann: Die Rede war von Steuersenkungen, längerem Arbeitslosengeld, Anhebung der niedrigsten Pensionen und Entschädigung von Kleinanlegern, die beim Schuldenschnitt Geld verloren haben.

Darauf kann sich die EU aber nicht einlassen, sonst springt der Währungsfonds ab, fordern Portugiesen und Iren umgehend dieselben Lockerungen - oder Griechenland würde zum Kandidaten für eine Dauer-Alimentierung.

Aus EU-Kreisen hieß es sogar, der Regierung werde ein 100-Tage-Aktionsplan vorgelegt, in dem Privatisierungen, Beamtenkündigungen und die Pleite verlustträchtiger Staatsfirmen verlangt würden. Würde das tatsächlich verlangt, wäre der Frust der griechischen Wähler entsprechend groß. Die neue Regierung stünde erst recht als Marionette Brüssels da - und ginge somit mit einer enormen Hypothek an den Start. Was die Frage aufwirft, wie unter diesen Voraussetzungen ein noch Jahre dauernder Spar- und Reformkurs geschafft werden soll.

Fazit: Die Schlacht an einem Nebenschauplatz ist geschlagen. Der Kampf zur Euro-Verteidigung tobt weiter. Die wichtigen Kämpfe werden in Berlin und Paris, Madrid und Rom ausgefochten: Die Eurozone hat es nicht geschafft, die Ansteckungseffekte auf Spanien und Italien einzudämmen. Und Frankreich und Deutschland lassen bis dato nicht erkennen, dass sie sich bis zum großen EU-Gipfel Ende Juni auf eine große Vision für die faktische Neugründung der Eurozone einigen können.