Zum Hauptinhalt springen

Eurobonds als Beruhigungspille

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Im Ernstfall könnte EU Verwaltung säumiger Euroländer übernehmen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. Der Schuldengigant Italien wankt trotz neuer Regierung - damit steigen auch die Zweifel am geplanten Hebel für den Eurorettungsfonds EFSF. Experten sehen nur noch zwei Möglichkeiten, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen: Die eine wäre ein noch viel massiverer Einsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Stützungskäufen von Staatsanleihen schwächelnder Eurostaaten - was Frankreich begrüßen würde. Die andere wären Eurobonds, eine Art gemeinsamer Haftung der Eurozone für die Schulden ihrer Mitglieder. Diese Option treibt die EU-Kommission unter Präsident Jose Manuel Barroso jetzt voran.

In einem Konsultationspapier, das morgen (Mittwoch) präsentiert werden soll, erläutern die EU-Strategen drei Varianten von Schuldverschreibungen, die sie "Stabilitätsanleihen" nennen. Für zwei davon, die eine tatsächliche gegenseitige Haftung der Euroländer beinhalten, wäre eine Änderung des Lissabonner Vertrags notwendig.

Der Ausblick auf die neue Haftungsform "könnte die aktuelle Staatsschuldenkrise rasch abmildern", heißt es im Entwurf von Barrosos Dokument, welcher der "Wiener Zeitung" vorliegt. "Selbst wenn die Einführung der Stabilitätsanleihen einige Zeit dauert, könnte eine vorherige Einigung auf eine gemeinsame Platzierung der Papiere unmittelbare Auswirkung auf die Markterwartungen haben und damit die Finanzierungskosten für Mitgliedstaaten senken, die derzeit unter Druck stehen." Hilfreich wäre freilich das "höchstmögliche Rating" für die Anleihen - am besten Triple-A.

Der Nachteil könne sein, dass Eurostaaten mit Toprating etwas mehr für ihre Kreditaufnahmen am Kapitalmarkt zahlen müssten. Gegenüber deutschen zehnjährigen Staatsanleihen, die derzeit unter zwei Prozent Zinsen kosten, könnten die Aufschläge nach unterschiedlichen Prognosen zwischen 0,5 und 2 Prozentpunkten liegen. Deshalb hat sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stets vehement gegen Eurobonds ausgesprochen.

Mehr Budgetdisziplin nötig

Laut Kommission könnten nationale Staatsanleihen entweder vollständig durch Eurobonds ersetzt werden, für die alle Euroländer gemeinsam haften würden. Bestehende Anleihen der Mitgliedstaaten würden in Eurobonds überführt. Diese Option sei die wirksamste, schreiben Barrosos Beamte, berge aber die größte Gefahr, dass schwächere Länder Reformen schleifen lassen, weil sie auf Kosten der Triple-A-Länder in den Genuss günstigerer Zinsen kommen ("Moral Hazard").

Deshalb wäre eine Alternative, die jeweiligen Staatsschulden nur bis zu einem gewissen Prozentsatz der Wirtschaftsleistung (zum Beispiel 60 Prozent laut Stabilitätspakt) über "Stabilitätsanleihen" zu refinanzieren. Für den Rest müssten die Euroländer weiterhin eigene Anleihen ausgeben. Die Moral-Hazard-Gefahr sei hier geringer, dafür würden zwei unterschiedliche Anleihemärkte geschaffen - die nationale Tranche könnte ziemlich teuer werden.

Für beide Fälle müsste Artikel 125 des EU-Vertrags geändert werden, der die gegenseitige Haftung für Staatsschulden verbietet ("No-Bailout-Klausel"). Zudem müssten die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Integration noch stärker forciert werden. Dafür könnten umfassende EU-Durchgriffsrechte geschaffen werden, mit denen ein Eurostaat in finanzieller Bedrängnis "unter eine Art Verwaltung" gestellt würde. Die Rückzahlung der Eurobonds könnte (möglichst per Verfassungsgesetz) Vorrang über allen anderen Staatsausgaben erhalten.

Beratungen bis Jänner 2012

Als dritte Option für die "Stabilitätsanleihen" bietet die EU-Kommission an, dass die Euroländer für einen Teil ihre Staatsschulden gemeinsam Bonds ausgeben, für welche die Staaten anteilig selbst laut EZB- oder EU-Budgetschlüssel haften. Um die Papiere attraktiver zu machen, könnten Mitgliedsländer mit Bargeldpuffern, Goldreserven oder Anteilen ihrer Steuereinnahmen garantieren. Diese Möglichkeit biete die geringsten Eurobond-Vorteile, wäre aber am schnellsten umzusetzen.

Laut Zeitplan der Kommission sollen die Eurobonds bis Jänner beraten werden, im Februar könnte ein EU-Gesetzesvorschlag präsentiert werden. Kanzlerin Angela Merkel will die Optionen bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem neuen italienischen Premier Mario Monti am Donnerstag immerhin besprechen.