Zum Hauptinhalt springen

Eurobonds als Schuldenbremse

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare
Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen.
© © Parlamentsdirektion/WILKE

Gemeinsame Anleihen der Eurozone mit gemeinsamer Haftung sind eine automatische Schuldenbremse - ohne Verfassungsgesetz.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für Merkel und Sarkozy sind Eurobonds (das heißt Anleihen mit gemeinsamer Haftung der Mitgliedstaaten der Eurozone) "auf gar keinen Fall" eine Lösung für die aktuelle Krise. Denn dann müssten Deutschland und Frankreich ja für die Schulden der anderen eintreten, ohne deren Zustandekommen beeinflussen zu können.

Das ist die Uralt-These vom Moral-Hazard-Verhalten der Schuldner. Haben Merkel und Sarkozy keinen einzigen Berater, der die Arbeiten des Bruegel-Instituts in Brüssel, von Paul De Grauwe an der Universität Leuven, den über ein Jahr alten Artikel von Juncker & Tremonti in der "Financial Times" oder die jüngste Studie der Europäischen Kommission zu Eurobonds liest und versteht?

Geschickt konstruiert, sind Eurobonds nicht mit dem Moral-Hazard-Problem belastet. Geschickt konstruiert, wirken Eurobonds sogar wie eine Schuldenbremse (siehe zuletzt Marianne Kager in den "Salzburger Nachrichten" vom 7. Dezember). Skizzieren wir also eine solche Konstruktion.

Eine Europäische Agentur (das könnte auch die europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF sein oder der neuzugründende Europäische Stabilitätsmechanismus ESM) begibt Anleihen, für die die Mitgliedstaaten gemeinsam haften. Diese Mittel werden auf Antrag an einzelne Mitgliedstaaten als Kredit der Agentur weitergegeben, aber umfangmäßig limitiert und unter bestimmten Bedingungen.

Die Limitierung ist wichtig. Juncker & Tremonti hatten die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIP des Schuldner-Mitgliedstaats vorgeschlagen. Man könnte sie auch niedriger ansetzen, sagen wir 50 Prozent. Österreich könnte dann, wenn es will, in den kommenden Jahren so lange Kredite bei der Agentur aufnehmen, bis dieser Schuldenstand 50 Prozent des heimischen Sozialprodukts erreicht hat (sogenannte Blue Bonds). Für darüber hinausgehende Kredite wäre jeder Mitgliedstaat so wie bisher auf die internationalen Finanzmärkte angewiesen (sogenannte Red Bonds). Die Zinsen für Blue Bonds werden niedriger sein als für Red Bonds. Das ist eine automatische Schuldenbremse, ohne Verfassungsgesetz, sondern in Form eines starken ökonomischen Anreizes.

Die anderen Bedingungen sind ebenfalls wichtig. Die Zinsgestaltung seitens der Agentur könnte die Höhe der Verschuldung des Mitgliedstaats berücksichtigen: niedrigere Zinsen für Estland als für Italien. Die Agentur könnte variable Zinsen anbieten, je nach Erfüllung von Auflagen durch den Mitgliedstaat. Auch die Laufzeiten der Agenturkredite könnten variieren: lange für gute Schuldner, kurze für Wackelkandidaten. All diese Bedingungen wirken wie Schuldenbremsen.

Und wozu das Ganze? Um ein Kernproblem anzugehen: Die Eurozone hat eine gemeinsame Währung, aber 17 isolierte Anleihemärkte, von denen jeder einem Run der Kreditgeber ziemlich hilflos ausgeliefert ist, sofern die EZB nicht interveniert. Die Grenze zwischen Illiquidität und Insolvenz verschwimmt dann rasch. Die Eurozone sollte handeln, bevor es wieder einmal zu spät ist.