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Eurobonds-Testlauf war ein Erfolg

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Die erste gemeinsame Euro-Kollekte für das Irland-Hilfsprogramm stieß auf eine rege Nachfrage. Foto: corbis

Erste EU-Anleihe für Irland-Hilfe über 5 Milliarden Euro. | Neun Argumente für eine gemeinsame Schuldenagentur. | Wien. 2011 ist das Jahr der Bewährung: Die Eurozone muss beweisen, dass ihr Zusammenhalt größer ist als die Sprengkraft durch die Schuldenkrise. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou rührte am Donnerstag die Werbetrommel für sogenannte Eurobonds: Gemeinsame Anleihen der Währungsgemeinschaft könnten helfen, die Schuldenkrise zu überwinden. Die Idee gewinne immer mehr Unterstützer, so Papandreou.


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Dass sich die hochverschuldeten Länder für Euro-Anleihen aussprechen, überrascht nicht. Sie wären die Nutznießer niedrigerer Zinsen. Bisher waren aber vor allem Deutschland, Frankreich oder Österreich strikt dagegen. Nüchtern betrachtet wird es dennoch immer wahrscheinlicher, dass die EU sich künftig als einheitlicher Wirtschaftsraum um Kredite anstellen wird. Gute Argumente, aber auch viele Zwänge sprechen für Eurobonds.

Schuldenprobleme sind weiterhin ungelöst

1. Der Testlauf hat geklappt. Am Mittwoch startete die EU ihre erste Anleihen-Auktion für den Irland-Rettungsschirm. Die Nachfrage nach den fünfjährigen Papieren war groß: "Die Anleihe wurde dreimal überzeichnet", sagte die Sprecherin von EU-Kommissar Joaquin Almunia. Es habe nur eine Stunde gedauert, diese zu platzieren. Auch die Konditionen sind gut: Mit 2,5 Prozent liegen die Zinsen zwar über jenen der solidesten Euro-Staaten, aber weit unter jenen der Sorgenkinder. Die EU wird von Irland für die Hilfe rund 5,8 Prozent verlangen.

Das gute Abschneiden spielt Eurobonds-Befürwortern in die Hände. "Von den technischen Details unterscheiden sich die Emissionen schon. Aber prinzipiell stellt die Aufnahme dieser Bonds eine Indikation dar, ob das Thema Eurobonds nicht wieder auf den Tisch kommt - womöglich mit mehr Wohlwollen der Kernländer", sagt Unicredit-Analyst und Anleihen-Experte Michael Rottmann zur "Wiener Zeitung".

2. Die Eurozone muss 2011 mehr als 600 Milliarden Euro frisches Geld aufstellen. Der Währungsraum verzichtet dabei leichtfertig darauf, seine Leistungsstärke auszuspielen. In Summe sind der Schuldenstand und die Defizite nämlich viel niedriger als in den USA.

3. Die Probleme sind ungelöst: Griechenland, Irland und Portugal können sich aus der Schuldenfalle kaum befreien. Dazu sind die Zinskosten schlicht zu hoch. Portugal wagte sich 2011 als erstes Euro-Sorgenkind auf den Markt und erhielt eine Ohrfeige: Die Nachfrage war groß, die fälligen Zinsen sind mit im Schnitt fast 3,7 Prozent für sechsmonatige Papiere aber eine Katastrophe.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) schätzt, dass die Bedienung der Zinsen 2012 schon fast ein Drittel der griechischen Steuereinnahmen (31,2 Prozent) auffressen wird. Auch in Portugal (17,6 Prozent) und Irland (19,2 Prozent) wird der Budget-Spielraum immer kleiner. Die ambitionierten Sparpläne dieser Länder haben dadurch wenig Aussicht auf Erfolg. Mit immer neuen EU-Krediten als Überbrückungshilfe wird es auf Dauer aber nicht getan sein. "Es ist schwer absehbar, wie Griechenland nach dem Auslaufen der Hilfskredite an den Finanzmarkt zurückkehren soll", sagt Rottmann.

Hilfe lässt Zinskosten für Kernländer steigen

4. Umstimmen könnte Eurobonds-Kritiker in Deutschland und Österreich, dass die Schuldenaufnahme durch die Hilfen immer teurer wird. Anfangs profitierten diese Länder von der Flucht der Investoren in den "sicheren Hafen". Sollten nach Griechenland und Irland noch weitere Staaten auf Hilfe angewiesen sind, nährt das aber Zweifel an der Belastbarkeit jener Länder, die dafür geradestehen müssen. Somit steigen die Zinskosten auch für Deutschland und Österreich.

5. Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile: Die Zinsbelastung für Eurobonds wäre wohl noch deutlich geringer als bei den Anleihen der Irland-Hilfe. So wie der Euro zur Dollar-Alternative geworden ist, könnten gemeinsame Euro-Anleihen die Dominanz der US-Papiere auf dem Weltmarkt brechen. Für Investoren ist nämlich nicht nur die Sicherheit ein Thema, sondern auch, dass sie jederzeit kaufen und vor allem verkaufen können: Ein starker Handel und liquider Markt wird mit geringeren Zinsen belohnt. Manche Experten glauben, dass Euro-bonds sogar an die niedrigen Zinsen deutscher Anleihen herankommen könnten, die derzeit das Maß der Dinge sind.

6. Günstige Kredite dürfen natürlich kein Freibrief für verantwortungsloses Geldausgeben sein. Die Budgetdisziplin muss aber unabhängig von der Kreditaufnahme geregelt werden. Einige Eurobonds-Modelle berücksichtigen das, indem die günstigen Konditionen nur für einen "soliden" Teil der nationalen Staatshaushalte gewährt werden. Für Mehrausgaben müssten die Staaten weiter höhere Zinsen zahlen und Investoren größeres Risiko tragen.

In Spanien und Irland waren überdies nicht die Regierungen fahrlässig - die Schulden häuften sich im Privatsektor, bei Immobilien und Banken, an.

Krisenmechanismus ist keine endgültige Lösung

7. Der permanente Krisenmechanismus (ESM, siehe Wissenskasten), der den Rettungsschirm ab 2013 ablösen soll, wird die Probleme nicht beseitigen, sondern tendenziell verstärken. Es ist zwar sinnvoll, dass Anleihengläubiger sich nicht in Sicherheit wiegen können, sondern auch "geschoren" werden können.

Allerdings hat die Eurozone versprochen, dass alle vor Juni 2013 begebenen Staatsanleihen sicher sind. Die Märkte werden kaum willens sein, neue Papiere aus Problemländern nach Juni 2013 zu kaufen - und wenn dann nur mit hohen Aufschlägen.

8. Die EU hat bereits Erfahrung mit europäischen Anleihen - die Europäische Investitionsbank, Zahlungsbilanzhilfen für Nicht-Euroländer und "makrofinanzielle Hilfen" für Länder außerhalb der EU werden seit jeher so finanziert.

9. Der Spekulation wäre schlagartig Einhalt geboten. Der Euro-Rettungsschirm und der künftige Krisenmechanismus laden dazu nämlich geradezu ein: Attacken gegen die schwächsten Euroländer oder Panikreaktionen können deren Probleme verstärken und somit zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden.

Wissen: Euro-Kürzel

Es wäre nicht die EU, wenn sie nicht für die Euro-Hilfsaktionen zungenbrecherische Bezeichnungen und ein echtes Kürzel-Wirrwarr erfunden hätte.

Den mit Abstand größten Teil des Euro-Rettungsschirms macht die "Europäische Finanzstabilitäts-Fazilität" (EFSF) aus: Dafür wurde eine Zweckgesellschaft eingerichtet, die Geld auf dem Finanzmarkt aufnehmen darf. Die Eurostaaten garantieren dabei untereinander mit maximal 440 Milliarden Euro. Im Gegenzug für die Topbewertung mit einem Triple-A haben sich die Ratingagenturen allerdings doppelt und dreifach abgesichert, sodass tatsächlich viel weniger Geld für Hilfen bereit steht. 2011 will EFSF-Chef Klaus Regling an den Kapitalmärkten etwa 16,5 Milliarden Euro aufnehmen. 2012 sollen es 10 Milliarden sein. Der Start wird noch Ende Jänner erwartet.

Dazu kommen maximal 60 Milliarden aus dem "Europäischen Finanzstabilitäts-Mechanismus" (EFSM), der für alle 27 EU-Staaten verfügbar ist. Hier nimmt die EU-Kommission die Mittel auf dem Finanzmarkt auf. 2011 sollen aus diesem Titel für Irland 19 Milliarden aufgenommen werden.

Auf nominell 750 Milliarden Euro aufgerundet wird der Euro-Rettungsschirm durch bis zu 250 Milliarden Euro an Krediten vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Nachfolgelösung ESM

Ganz ähnlich klingt der "Europäische Stabilitäts-Mechanismus" (ESM): Dahinter verbirgt sich der permanente Krisenmechanismus, der ab Juni 2013 den EFSF ablösen soll. Dann drohen Anleihengläubigern Forderungsausfälle ("Haircuts"). Details sollen die EU-Finanzminister im März 2011 klären.

Das Geld für die Griechenland-Hilfe (110 Milliarden Euro) wird nicht über Anleihen besorgt, sondern mit bilateralen Krediten.