Ein lange schwelender Konflikt ist der Eskalation vorausgegangen. Die Hintergründe.
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Wien. Persönliche Entfremdungen, Dispute um das Weisungsrecht und die Berichtspflichten, Machtkämpfe in den Justizbehörden: Der Eurofighter-Affäre rund um Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek sind seit langem schwelende Konflikte vorausgegangen. Die Heftigkeit, mit der die Konflikte nun öffentlich ausgetragen werden, zeigt das tiefe Misstrauen, das sich in den Behörden eingenistet hat.
Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) werfen Pilnacek vor, er habe Teile des Eurofighter-Strafverfahrens abwürgen wollen. Sie haben wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch Justizminister Josef Moser (ÖVP) informiert, die Causa wird nun von der Staatsanwaltschaft Linz geprüft."Ich mache ein Auge zu, und wir stellen irgendwelche Dinge ein", soll Pilnacek in einer Besprechung gesagt haben. Pilnacek bestreitet die Vorwürfe, seine Aussage habe sich nur auf Verfahrensteile bezogen, die bereits verjährt seien.
ErfolgreicheAnfangsjahre
Um diese Eskalation zu verstehen, muss einige Jahre zurückgeblickt werden und das Weisungsrecht und die Berichtspflichten beleuchtet werden. Der rechtliche Hintergrund: Die WKStA ist der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien untergeordnet und an deren Weisungen gebunden, die OStA Wien wiederum ist dem Justizministerium unterstellt.
Vorgängerbehörde der WKStA war die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die 2009 gegründet wurde. 2011 wurden der Behörde auch Wirtschaftsstrafsachen übertragen, sie wurde zur WKStA umgebaut. Zunächst habe die Weisungs- und Berichtspflicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten gut funktioniert, erklärt der Politikwissenschafter und Jurist Hubert Sickinger, der zum Thema Korruption forscht. In diesen Anfangsjahren genoss die Behörde weitgehende Ausnahmen von den Berichtspflichten, zudem lief der Betrieb relativ unbürokratisch ab, heißt es aus Justizkreisen gegenüber der "Wiener Zeitung".
"Man fand für diese spezielle Staatsanwaltschaft einen Ausweg, um Interventionen hintanzuhalten: Sie war erst berichtspflichtig, wenn sie ein Verfahren einstellen oder eine Anklage erheben wollte. Die Oberbehörden sollten - und wollten - eben erst gar nicht wissen, was untersucht wird", so Sickinger. In bedeutenden Verfahren musste die Behörde bei wichtigen Verfahrensschritten, wie etwa einer Hausdurchsuchung, auch die Oberstaatsanwaltschaft informieren. Dabei handelte es sich aber um eine Pflicht im Nachhinein, die Ermittler mussten erst Bericht erstatten, nachdem etwa die Durchsuchung durchgeführt wurde.
Das habe in der Praxis gut funktioniert und sei schnell durch Anrufe erledigt worden, heißt es aus Justizkreisen. Nach und nach sei die Arbeit durch formalistische Hürden erschwert worden, man habe schriftlich Bericht erstatten müssen, die Informationspflichten seien so schleichend ausgebaut worden. Das Ziel der Behörde, möglichst eigenständig und ohne Einflussnahme zu ermitteln, sei so unterlaufen worden. Mitarbeiter der WKStA seien frustriert gewesen, "persönliche Entfremdungen" waren die Konsequenz.
"An kurze Leinegenommen"
Die Lage verschärfte sich durch einen umstrittenen Erlass der OStA aus dem Dezember 2018. Mit diesem wurden laut Sickinger bisherige Bestimmungen "schlagartig" uminterpretiert: Seit Jahresbeginn 2019 muss die WKStA die OStA Wien mindestens drei Werktage im Vorhinein über bedeutende Verfahrensschritte informieren. Aus einer Nachhineinpflicht wurde eine Pflicht im Vorhinein.
"Die WKStA wurde an die kurze Leine genommen", sagt Sickinger. Das gefährde die Unabhängigkeit der Behörde. Theoretisch besteht nun die Gefahr, dass Informationen an Verdächtige durchsickern können. Etwa dann, wenn eine Hausdurchsuchung in einem heiklen Verfahren durchgeführt werden soll, die WKStA einen Bericht darüber erstatten muss und danach Informationen aus dem politisch geführten Justizministerium an den Betroffenen gelangen oder der WKStA diese Maßnahme per Weisung untersagt wird. "Derartige Möglichkeiten wollte man verhindern", so Sickinger.
Der Auslöser für diese Änderung war die umstrittene Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Februar 2018. Eine Staatsanwältin der WKStA hatte die Durchsuchung durchführen lassen, sie wurde im August 2018 vom Oberlandesgericht Wien für unverhältnismäßig und rechtswidrig erklärt. Die Nachrichtendienste anderer Staaten haben ihre Kooperation mit dem BVT seit der Affäre eingeschränkt. "Hier hat die WKStA sicher auch Fehler gemacht", sagt Sickinger.
Das Justizministerium und die Oberstaatsanwaltschaft Wien waren im Vorhinein nicht über die Razzia informiert worden, was dort für Verärgerung sorgte. Zu solchen Überraschungen dürfe es nicht mehr kommen, das bisherige Modell funktioniere nicht ausreichend, erklärte die OStA.
Das ohnehin schon abgekühlte Verhältnis zwischen den Behörden erreichte einen Tiefpunkt. Ilse Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA, kritisierte die neuen Vorgaben öffentlich. Wenn dann in Dienstbesprechungen noch dazu ein "ruppiger Ton" hinzukomme, könne es schon dazu führen, dass die Situation derart eskaliere, heißt es aus Justizkreisen.Am Zug ist nun die Staatsanwaltschaft Linz. Die Causa werde "objektiv, umfassend und transparent" aufgeklärt, so die Vereinigung der Österreichischen Staatsanwälte.