Die Bewältigung der Rußland-Krise sei das derzeit größte internationale politische Thema, berichtete Vizekanzler Außenminister Wolfgang Schüssel am Montag abend (Ortszeit) nach seinem ersten | Arbeitstag in New York. Am Dienstag vormittag gab Schüssels in seiner Funktion als EU-Ratsvorsitzender vor der 53. Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Erklärung ab, in der er zum | weltweiten Kampf gegen Kindesmißbrauch aufrief.
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In insgesamt 5 Tagen in New York will Schüssel rund 60 Gesprächstermine abwickeln · ein dichtes Arbeitsprogramm, das am Montag ein Essen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan sowie ein Treffen der EU-
Troika mit den Außenministern der "San José"-Gruppe (Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama) beinhaltete.
Die Rußland-Krise sei nur in internationaler politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit lösbar, betonte Schüssel, der von einem "hochinteressanten Treffen" mit dem russischen Premier Jewgenij
Primakow sprach, der international Vertrauen genieße. Am Dienstag war auch ein Termin mit Rußlands Außenminister Igor Iwanow geplant, in dem es u. a. um den Kosovo-Konflikt gehen soll. Am 5. Oktober
werde die Entscheidung über den Kosovo-Beauftragten fallen, der laut Schüssel jedenfalls "ein erstklassiger Diplomat mit politischem Gespür" sein werde.
Ebenfalls am Dienstag wollen die EU-Außenminister über die Beauftragung der WEU zur Entsendung von Polizeikräften nach Albanien entscheiden. Die Unruhen nach der Ermordung eines Oppositionspolitikers
in der vergangenen Woche hätten gezeigt, daß Ministerpräsident Fatos Nano bei der Wiederherstellung der inneren Sicherheit in Albanien unterstützt werden müsse, erklärte Schüssel.
Noch im September soll die Idee einer politischen Gruppe "friends of Albania" realisiert werden, die Schüssel anläßlich des Besuches von US-Außenministerin Madeleine Albright in Wien lanciert habe,
und die neben den 15 EU-Mitgliedstaaten und den USA "allen Ländern offensteht", die zur Stabilisierung in Albanien beitragen wollen.
Die Botschaft der EU an die Vereinten Nationen sei, daß man sich "nicht zu Tode fürchten" solle, wie Schüssel sagte: "Wir können mit den Problemen umgehen, wenn wir uns ihnen stellen und
maßgeschneiderte Lösungen in internationaler Kooperation mit dem notwendigen Schuß Realismus entwickeln!" Die Globalisierung sei auch als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen. Trotz der
gegenwärtigen Krisen müsse man "auch sehen, was erreicht wurde", betonte Schüssel, eine "friedliche Wachstumszone Südamerika" etwa ebenso, wie "Euro-Land" und die EU-Osterweiterung, die Europa als
"starken Partner der USA auf der Weltbühne" positionieren werden.
Schutz für Kinder
Für den weltweiten Schutz von Kindern, den Kampf gegen Kinderpornographie und sexuelle Ausbeutung von Kindern hat sich EU-Ratspräsident Außenminister Wolfgang Schüssel am Dienstag in seiner Rede
vor der 53. UNO-Generalversammlung ausgesprochen. "Unsere Kinder müssen eine Kindheit in Frieden und Freiheit, Wohlstand und Sicherheit haben, ohne Mißbrauch, Gewalt und Ausbeutung", appellierte
Schüssel laut Redetext an die Politiker und Diplomaten der 185 UNO-Mitgliedsstaaten. Als Ratsvorsitzender unterstrich Schüssel das Engagement der Europäischen Union in internationalen Krisenherden
für humanitäre Hilfe und zur Stabilisierung.
Im Kampf gegen Kinderprostitution und sexuelle Ausbeutung tritt Schüssel für ein weltweites Verbot von Kinderpornographie ein. Neben Regierungen und Vereinten Nationen müßten auch private
Wirtschaftstreibende, darunter Online- und Internet-Anbieter, gemeinsam den "Kreuzzug gegen Kindesmißbrauch" führen. Angesichts der Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte für Millionen Kinder
und Jugendliche fordert der Außenminister eine "globale Koalition" gegen sexuelle Ausbeutung, Kindersoldaten und Kinderarbeit.
In der aktuellen internationalen Krise der Finanzmärkte sieht Schüssel trotz ernster Lage keinen Grund zur Panik: "Die Weltwirtschaft ist · mit zwei Dritteln der Weltbevölkerung in Wachstumszonen ·
im Grunde genommen gesund." Industrie- und Entwicklungsländer müßten im Rahmen der internationalen Finanzkooperation eine gemeinsame Strategie ausarbeiten sowie Standards und Regeln für
Finanztransaktionen formulieren. Neben dem Erfordernis langfristig denkender Politik sollte gerade in diesen turbulenten Zeiten dem "europäischen Modell der sozialen Marktwirtschft" mehr
Berücksichtigung gewidmet werden.
Standing ovations
für Clinton
Eröffnet wurde die Generaldebatte zur 53. UNO-Vollversammlung am Montag vormittag von US-präsident Bill Clinton, der zu raschen internationalen Abkommen für eine verstärkte Zusammenarbeit gegen
die "Große Gefahr des Jahrhunderts", den Terrorismus, aufrief. Im Sinne einer globalen Konvention gegen den Terror dürfe es keine Trennlinien zwischen den verschiedenen Völkern, Kulturen und
Religionen der Welt geben. Zu unterscheiden sei lediglich zwischen jenen, die damit "schlicht und einfach Mord" praktizieren, unterstützen oder tolerieren, und jenen, die den Terrorismus bekämpften.
In diesem Zusammenhang sagte der Präsident auch, daß die USA "die moslemische Welt respektieren".
Zur Begrüßung Clintons hatten sich die Delegierten zur Vollversammlung demonstrativ von ihren Plätzen erhoben und heftig applaudiert · ein kräftiges Signal der Unterstützung des US-Präsidenten,
dessen Video-Aufnahmen seiner Aussage zur Lewinsky-Affäre zur gleichen Zeit von den großen Fernsehanstalten ausgestrahlt wurden.
Clinton zitierte in seiner Rede vor der Vollversammlung u. a. Martin Luther King: "Der einzig wahre Revolutionär ist der Mensch, der nichts zu verlieren hat" · ein Zitat, das nach der "unnötigen und
geschmacklosen Demütigung" der Video-Ausstrahlung, so das einhellige Urteil aus den internationalen Delegationen in New York, nahezu wie eine persönliche Prophezeiung klingt.