)
Wenn der EU-Stabilitätspakt und das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP scheitern, scheitert Europas Gesundung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es war ja kein ganz schlechter Plan, mit dessen Hilfe sich die EU-Staaten 2012 aus der damals geradezu lebensbedrohenden Wirtschaftskrise herauswinden wollten. Kurzfristig sollte die legendäre Erklärung des EZB-Präsidenten Mario Draghi, "was auch immer notwendig ist" zu tun, um den Euro zu retten, das Ärgste verhindern. Zeitgleich wurde ein Stabilitätspakt geschnürt, um die unverantwortliche Schuldenpolitik in Teilen der Eurozone einzudämmen und das Vertrauen der Gläubiger zurückzugewinnen. Und mittelfristig sollte das monumentale TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA schmerzfrei das zur Genesung der Eurozone dringend benötigte zusätzliche Wachstum generieren.
Dieser Dreisprung hätte funktionieren können. Doch heute, nur vier Jahre später, sind gleich zwei der drei Säulen des Rettungsplans akut vom Einsturz bedroht. Jener Stabilitätspakt nämlich, der den Gläubigern vor allem der angeschlagenen Euroländer Vertrauen einflößen sollte, wird gerade von Frankreich sabotiert, das offenkundig unwillig und unfähig ist, seine Staatsfinanzen auch nur halbwegs in Ordnung zu bringen, und stattdessen völlig schambefreit von Deutschland fordert, sich doch bitte gefälligst auch wieder in Schuldenexzesse zu stürzen. Wird aber der junge EU-Stabilitätspakt so wie sein Vorgänger, die berüchtigten Maastricht-Kriterien, zu einem wertlosen Stück Papier, kann das durchaus die nächste handfeste Krise auslösen, die dann nicht mehr so ohne Weiteres von der EZB einzudämmen sein wird. In Gefahr ist auch TTIP, mit dessen Hilfe Europas Wirtschaft aus der Krise herauswachsen sollte. Ein im Kern vernünftiger Plan, denn freier Handel hat in den vergangenen paar hundert Jahren noch immer zusätzlichen Wohlstand für alle Beteiligten gebracht. Doch eine Mischung aus einigen wenigen inhaltlich wirklich problematischen Punkten, unsympathischer Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen und irrationalen Ängsten hat den politischen Widerstand so anschwellen lassen, dass die (unverwässerte) Realisierung von TTIP nicht mehr so sicher ist.
Somit könnten zwei Drittel des vor vier Jahren gezimmerten großen Plans zur Rettung und Sanierung der Eurozone Makulatur sein - ein jähes, abermaliges Auflodern der Eurokrise droht. Die Verantwortung dafür haben jene linken wie rechten Populisten zu tragen, die sowohl den Stabilitätspakt aushebeln wollen als auch das TTIP-Abkommen sabotieren und den Leuten stattdessen einreden, mit neuen Bergen von Schulden sowie frisch gedrucktem Geld ließen sich Wohlstand und Wachstum völlig schmerzfrei herbeizaubern. Flankiert werden sie von den üblichen Kapitalismus-, USA- und Globalisierungsfeinden, die unter dem Banner des Chlorhuhns mit Nationalismus und Provinzialismus bei der verängstigten Bevölkerung punkten wollen.
Aber auch die Regierungen haben erheblich Verantwortung zu tragen. Denn ihr Job wäre ja, die Notwendigkeit und Alternativenlosigkeit von finanzieller Stabilität und Freihandel so darzustellen, dass ihre Wähler das verstehen - und im Zweifelsfall das als lebenswichtig Erkannte auch gegen den Sturm der öffentlichen Meinung durchzusetzen. Und sei es mit dem Risiko, dann eben abgewählt zu werden wie viele Politiker, die nicht den Demoskopen, sondern ihrer Überzeugung gefolgt sind.