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Europa auf dem Weg zurück in die Zukunft

Von Heike Hausensteiner, Nizza

Europaarchiv

Die Staaten des ehemaligen Ostblocks und nunmehrigen EU-Beitrittswerber sollen verstärkt in die Union eingebunden werden. Als "Präludium" zum EU-Gipfel hatte die Union daher zu einer "Europa-Konferenz" geladen, an der die zwölf Beitrittskandidaten sowie die Türkei und die Schweiz teilnahmen. Es war die zweite Europa-Konferenz nach 1998 in London.


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Am Beginn des 21. Jahrhunderts, 50 Jahre nach der Gründung der ersten europäischen Gemeinschaft (für Kohle und Stahl) und knapp zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wird am Alten Kontinent über die Erweiterung der Europäischen Union und eine europäische Verfassung diskutiert. Es gehe um die "Verwirklichung eines Traums", der seit der Résistance bestehe, sagte der Gastgeber, Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac. Von einer "historischen Wiedervereinigung" sprach Kommissionspräsident Romano Prodi. Wenn schon die Regierungskonferenz in den vergangenen Monaten die Reform der EU-Institutionen vorbereiten sollte, um die Union fit für eine Erweiterung zu machen, sei es klar, dass man auch mit den Kandidaten spreche, betonte Premierminister Lionel Jospin.

Wohl nicht zufällig hatte denn auch Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder unmittelbar vor Beginn des Gipfels vergangenen Mittwoch Polen einen Besuch abgestattet - 30 Jahre nach Willy Brandts Kniefall vor dem Ghetto-Mahnmal in Warschau (am 7. Dezember 1970).

In der Europa-Konferenz sei klar geworden, dass bei den EU-Beitrittswerbern "ungeheure Erwartungen" bestünden. "Damit die Teilung Europas in Ost und West aufgegeben wird", so Schröder, damit "zusammen wächst, was zusammen gehört", erneut Brandt zitierend.

Schüssel: Multilaterale

Diskussionsplattform

Die Europa-Konferenz sollte eine "multilaterale Diskussionsplattform" der EU mit den EFTA-Staaten und dem Balkan sein, erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Diese Staaten akzeptieren bereits eine "europäische Orientierung". Europa einschließlich der Mittelmeerstaaten bis zum Nahen Osten auszubauen, hat sich die EU ein langfristiges Ziel weit gesteckt.

Eine Mitgliedschaft Russlands in der Europa-Konferenz schloss Außenministerin Benita Ferrero-Waldner aber aus. Mit der Türkei hatten die EU-Außenminister vergangene Woche eine "Beitritts-Partnerschaft" unterzeichnet - was am Rande des EU-Gipfels kurdische Organisationen auf den Plan rief: Bei der Integration der Türkei in die EU werde die Kurden-Frage ignoriert, lautete ihre Kritik. Präsident Chirac beschränkte sich darauf, die Stellung der Türkei als "anders, speziell" zu bezeichnen.

Was aber tut die Schweiz an einem Tisch mit den EU-Staaten und den zukünftigen Mitgliedern, unkten Schweizer EU-Gegner in Nizza. Habe sich doch die Konföderation 1992 mehrheitlich gegen einen EU-Beitritt ausgesprochen.

Präsident Adolf Ogi, der in seiner Rede von "gemeinsamen Zielen der Schweiz und Europas" sprach, wurde sogar als "Anschluss-Politiker" denunziert. Bilaterale Verträge mit der EU haben die Schweizer im vergangenen Mai sehr wohl befürwortet.

Übergangsfristen vor

allem bei der Migration

Von der EU-Osterweiterung sei kein Land so sehr betroffen wie Österreich. Übergangsfristen vor allem bei der Migration müssten daher geschaffen werden, forderte Ferrero-Waldner. Sie nannte eine Zeitspanne von fünf bis sieben Jahre. Ohne Quotenregelung bei der Arbeitsmigration und der Personenfreizügigkeit werde es nicht gehen, so die Außenministerin.

Ab dem Jahr 2003 sollen neue Mitgliedstaaten - "die entsprechend vorbereitet sind" - aufgenommen werden. Dieses Vorhaben bleibe aufrecht, betonte Chirac noch vor Beendigung des Gipfels. Nur: Ursprünglich hieß es, die Osterweiterung solle bereits im Jahr 2000 starten.

Die Zeit drängt

Selbst wenn die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten nun bis Ende 2002 abgeschlossen sein werden, wird der Ratifizierungsprozess zumindest noch eineinhalb Jahre dauern. 2004 finden die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament statt, an denen sich die neuen Mitglieder bereits "beteiligen können". Deshalb wurden auch schon in Nizza die den zukünftigen EU-Ländern zustehenden Sitze ausverhandelt. Die Zeit drängt also.