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Europa: Aufbauen auf der Vielfalt

Von Helmut Dité

Europaarchiv

Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Sonntag die heurige Tagung des Weltwirtschaftsforums in Salzburg. Zum Thema "Europa: Aufbauen auf der Vielfalt" werden bis Dienstag hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft in zahlreichen Arbeitsgruppen und Plenarsitzungen diskutieren. Auf Einladung von Bundespräsident Thomas Klestil werden neun Staatsoberhäupter und zahlreiche Regierungschefs vorwiegend aus Ost- und Mitteleuropa nach Salzburg kommen.


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"Nein, wir sagen das Treffen nicht ab", betonte Thierry Malleret, Direktor des Davoser World Economic Forum für Europa und Zentralasien, nachdem zum Thema "Salzburger World Economic Forum" gut 14 Tage lang nur Meldungen von den Vorbereitungen der Gegendemonstranten und der Sicherheitskräfte - inklusive der zeitweiligen Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Deutschland und Italien - über die internationalen Nachrichtenagenturen verbreitet worden waren. Zwischen den Horror-Bildern vom EU-Gipfel von Göteborg und der angekündigten Randale der Globalisierungsgegner beim G-8-Treffen in Genua - wo die Staatsoberhäupter wahrscheinlich auf ein Schiff flüchten werden - sollen aus Salzburg konstruktivere Botschaften kommen.

Der Salzburger Ableger des 1971 als "Europäisches Mangement Forum" in Davos gegründeten "World Economic Forum", der seit 1996 als "Zentral- und Osteuropagipfel" firmierte, heißt heuer, da die EU-Erweiterung vor der Tür steht, einfach "European Economic Summit". "Wir glauben, dass die Länder Europas insgesamt jetzt bereits mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen und behandeln daher Europa als einheitliches, wenn auch nicht homogenes Gebilde. Das Thema für 2001: "Auf der Unterschiedlichkeit aufbauen", erläutert Malleret.

Dennoch ist der Schwerpunkt Zentral- und Osteuropa weiterhin gegeben, osteuropäische Politiker und Manager unter den mehr als 700 Teilnehmern aus 44 Ländern in der Überzahl. Schirmherr Bundspräsident Thomas Klestil begrüßt seine Amtskollegen aus Polen, der Ukraine, Jugoslawien Kroatien, Rumänien, Litauen und - aktuell besonders heikel und bis zuletzt fraglich - aus Mazedonien und Albanien. Sie und die Regierungschefs von Russland, Slowenien, Estland und Jugoslawien treffen auf westliche Diskussionspartner wie NATO-Generalsekretär Robertson oder EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen und Wirtschaftskaliber wie den EX-ABB-Chef und jetzigen Wallenberg-Vermögensverwalter Percy Barnevik oder Investor George Soros.

"Verliert der EU-Erweiterungsprozess an Dynamik?", "Wie geht es weiter mit Europas Nordregion?", "Russland und Europa", sind ebenso Themen von Arbeitskreisen wie "Der Konsolidierungsprozess der europäische Finanzmärkte" oder "Finanzielle Krisen in den Emerging Markets" - hier sollte der türkische Wirtschaftsminister Kemal Dervis Aktuelles einbringen.

Mehrere Diskussionsrunden werden sich mit der Entwicklung in Russland und dem Verhältnis Moskaus zum Westen beschäftigen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet heuer das Thema "Die Zukunft der europäischen Städte". Dazu werden unter anderen die Bürgermeister von Wien, Budapest, Laibach, Sofia und Riga ihre Gedanken äußern.

Besondere Länderschwerpunkte werden außer zu Russland über die baltischen Staaten, Polen, die Ukraine, Deutschland, Rumänien, die Türkei gebildet. Die Tagung schließt mit einer Plenardebatte zum Thema "Wie wird Europa nächstes Jahr aussehen?".

Ein "übergreifender Dialog mit den Nicht-Regierunsgorganisationen" wird auch in Salzburg angestrebt, so der Pressesprecher des Weltwirtschaftsforums, Charles McLean: "Zahlreiche ihrer Themen haben große Bedeutung". Dennoch wird wohl die Mehrheit der Gegner draußen vor der Tür des hermetisch abgeriegelten Kongreßzentrumsbereichs bleiben, steht zu befürchten.

Begleitend zur Konferenz haben die Gegner bereits am Donnerstag mit Gegenveranstaltungen begonnen. Höhepunkt ist am Samstag eine Tagung unter dem Titel "Salzburg 2001 - Die andere Globalisierung". Schon am Mittwoch setzte sich in Wien die so genannte VolxTheaterKarawane in Bewegung, die ebenfalls gegen das Weltwirtschaftsforum demonstrieren will. Eine für Sonntag Nachmittag angemeldete Demonstration gegen den Gipfel wurde genehmigt.

Und während das Weltwirtschaftsforum per Offenem Brief den Dialog mit jenen rund 10.000 Salzburger Bürgern suchte, die in unmittelbarer Nähe des Veranstaltunsortes von den rigorosen Sicherheitsvorkehrungen betroffen sind - Originaltext: "Durch die Salzburgerinnen und Salzburger hat der Wirtschaftsgipfel in den vergangenen Jahren eine persönliche Note erhalten, die ihn zu einem einzigartigen Ereignis für alle Beteiligten werden ließ, dieser Gipfel wird Europa weiter zusammenführen" - hat das US-Außenministerium amerikanische Bürger zu besonderer Vorsicht gemahnt: "Amerikaner im Gebiet von Salzburg sollten sich während dieser Zeit unauffällig verhalten und alle Demonstrationen meiden", heißt es in der Mittwoch herausgegebenen offiziellen Reisewarnung des US-State Departement.