Zum Hauptinhalt springen

Europa biegt rechts ab

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Dass extreme Rechtsparteien, deren demokratisches Verständnis nicht gerade ausgeprägt ist, in demokratischen Wahlen Erfolge feiern, ist in Europa nichts Neues. Es ist ein am Kontinent bereits in der Vergangenheit zu beobachtendes Phänomen gewesen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und es tritt gerne in der Folge schwerer Krisen auf. Wenn sich Menschen fürchten, wird oft das Fremde zum Angstobjekt.

Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien bedienen diesen Trend. Das neue Europa bietet diesen Partien aber stärker als früher die Möglichkeit, sich über nationale Grenzen hinaus zusammenzuschließen. Dadurch könnte diesen Gruppen eine Bedeutung zukommen, die sie weder haben sollten noch haben müssten. Nicht die 5,7 Prozent der Schwedendemokraten sind das Hauptproblem, sondern was sie damit auslösten: Schwedens Politik wird destabilisiert. Und in anderen Ländern versuchen die geschrumpften Großparteien mit harschen Worten und Taten, dem Trend zu folgen. Umgang und Ton wird dem "Fremden" gegenüber rauer. Aus dem entspannten Miteinander wird gesellschaftspolitisch ein gegenseitiges Belauern. Die Minarett- und Burkaverbots-Debatte zeigte, dass bedeutungslose Themen Über-Gewicht bekommen.

Die Nuancen bleiben vollends auf der Strecke. Ethnische und religiöse Gruppierungen, die sich in einer freien Gesellschaft, wie der europäischen, vollkommen abschotten, sind quasi Sekten. Ihnen mit Kritik und bei Gesetzesverstößen auch polizeilich zu begegnen, ist in Ordnung. Aber dass jeder türkischstämmige Österreicher ins Islamistenlager gestellt wird, ist nicht in Ordnung.

Parteien, die weit rechts stehen, leben freilich davon, die Menschen auseinanderzudividieren. Sie bieten oftmals bequeme Ausreden, warum es im eigenen Leben nicht so gut läuft. Und sie sind in ihrem Protest so laut, dass sie die Unzufriedenen generell ansprechen.

In einer Gesellschaft zu leben, deren Mitglieder sich gegenseitig belauern und Böses unterstellen, ist nicht besonders erstrebenswert. Es wäre also hoch an der Zeit für die sogenannten Großparteien, eine Debatte zu beginnen, wie eine offene Gesellschaft aussehen sollte, in der sich alle wohl fühlen. Nur nach der Fremdenpolizei zu schreien, wird den Vormarsch der Rechten nicht beenden.