Künftige nationalkonservative Regierung in Polen will 2016 Bankenabgabe einführen.
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Brüssel/Warschau. Warschau wird fürs Erste doch nicht Budapest werden. Vor wenigen Jahren noch blickte der damalige polnische Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski mit Bewunderung auf die Verfassungsmehrheit, die der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán seiner konservativen Partei gesichert hat. Dessen Wahlsieg nahm er sich zum Vorbild: Im Sejm, im Abgeordnetenhaus in Warschau, wünschte er sich für seine Fraktion Recht und Gerechtigkeit (PiS) ähnliche Verhältnisse.
Davon ist PiS nach der Parlamentswahl am Sonntag zwar noch entfernt. Dennoch konnte die nationalkonservative Gruppierung nach dem Votum triumphieren. Sie erhielt laut Hochrechnungen fast 38 Prozent der Stimmen und konnte die bisher regierende Bürgerplattform (PO) weit hinter sich lassen. Nicht einmal ein Viertel der Polen wählte die Mitte-Rechts-Partei, die acht Jahre lang an der Macht war. Premierministerin Ewa Kopacz soll nun von PiS-Spitzenkandidatin Beata Szydlo abgelöst werden.
Die Fünf-Prozent-Hürde, die Parteien für den Einzug ins Parlament überwinden müssen, nahm die Bewegung "Kukiz 15" des Rockmusikers Pawel Kukiz. Dieser war schon bei der Präsidentenwahl im Mai mit der Ansage angetreten, "das System" verändern zu wollen. Damals überzeugte er auf Anhieb ein Fünftel der Wähler, dieses Mal war es nicht einmal ein Neuntel.
Auch die vor wenigen Monaten gegründete liberale Partei Nowo-czesna (Modern) von Ryszard Petru schaffte es über die Schwelle. Sie erhielt knapp acht Prozent der Stimmen. Für die Vereinigte Linke hingegen war die Hürde höher gesetzt: Das Bündnis mehrerer Gruppierungen musste mindestens acht Prozent erlangen. Bis Montagabend musste die von Barbara Nowacka angeführte Koalition darum bangen. Das offizielle Ergebnis des Urnengangs wird für den heutigen Dienstag erwartet. Landesweit waren acht Parteien angetreten, die um die 460 Sitze im Sejm kämpften. Rund 30 Millionen Menschen waren wahlberechtigt - etwas mehr als die Hälfte von ihnen machte davon Gebrauch.
Ideologie und Frust
Noch in der Wahlnacht sah es aus, als ob PiS die absolute Mehrheit im Sejm erobert hätte. Allerdings schrumpfte im Laufe der Auszählungen der Vorsprung auf wenige Parlamentssitze. Doch selbst wenn eine Alleinregierung nicht möglich und die Fraktion auf die Unterstützung anderer Parteien - die aus der Kukiz-Bewegung oder von Überläufern aus der Bürgerplattform kommen könnte - angewiesen ist, wird die Kaczynski-Gruppierung künftig die polnische Politik noch stärker prägen. Und dass vor allem der Vorsitzende die Richtung vorgeben wird, daran lassen die meisten Beobachter keine Zweifel. Wie viel Spielraum dabei Beata Szydlo als Premier hat, wird sich zeigen.
Auf gute Zusammenarbeit mit dem Staatspräsidenten kann sie jedenfalls zählen. Am Wahlsieg des damaligen EU-Abgeordneten Andrzej Duda vor wenigen Monaten war sie nämlich nicht unbeteiligt: Szydlo leitete den Wahlkampf des Herausforderers von Amtsinhaber Bronislaw Komorowski. Bald sind abermals die Posten des Präsidenten und des Premiers in den Händen von PiS - wie vor knapp zehn Jahren, als die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski die zwei Ämter innehatten.
Noch immer scheint also die PiS-Ideologie, die Werte wie Patriotismus, Glaube und - traditionell definierter - Familiensinn in den Vordergrund rückt, genug Anhänger zu haben. Doch parallel dazu hat etliche Wähler zum Votum für Recht und Gerechtigkeit der Frust über das Gefühl verleitet, persönlich von der relativ guten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes nichts zu spüren. PiS lockte mit Wahlsprechen, die eher linken Gruppierungen zuzuschreiben wären: höhere Einkommen, mehr staatliche Unterstützung für notleidende Menschen aber auch Unternehmen wie unrentable Bergwerke. Für das Budgetdefizit könnte das einen Sprung bedeuten, der von der EU gerügt werden wird.
Doch der Gemeinschaftsgedanke wird sowieso zunächst einmal hintangestellt. In der EU-Politik sollte es nicht zuletzt darum gehen, die Interessen des eigenen Landes zu schützen, meinen PiS-Politiker. Die Arbeit in der Union, wo so mancher Regierungschef ähnliche Auffassungen hat, wird dies nicht erleichtern.