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"Europa braucht eine Wirtschaftsregierung"

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Rödl setzt auf Aktivierung der Wirtschaft Italiens.

Creditreform-Experte Helmut Rödl fordert die Einführung von Eurobonds.


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Wien. "Ich habe mit dem deutschen Außenhandelspräsidenten ein Votum für Eurobonds abgegeben, ich sehe auf lange Sicht nicht, dass es anders geht", sagt Helmut Rödl, Hauptgeschäftsführer des deutschen Verbandes Creditreform und Professor für Wirtschaftstheorie und -politik sowie für Kapital- und Finanzmärkte an der Universität Innsbruck. "Im Grunde hätte man sich schon bei der Einführung des Euro klar sein müssen, dass es eine Schicksalgemeinschaft ist, um ein hochtrabendes Wort zu verwenden: mitgefangen - mitgehangen. Wir können einfach nicht so tun, als wäre es anders. Wir werden eine einheitliche Wirtschaftsregierung brauchen. Nur wir haben derzeit nicht die geeigneten Protagonisten für die Eurobonds-Lösung." Auch die Wirtschaftslage in Österreich beobachtet der gebürtige Klagenfurter sehr genau. "Österreich hat unverändert eine Top-Bonität. Österreich sollte schauen, dass man die Bankengeschichte in Osteuropa über die Bühne bringt. Ich bin auch davon überzeugt, dass das gelingt", sagt Rödl.

"Alle, auch die Deutschen, haben die österreichischen Banken gelobt, weil sie sich um die Finanzierung der Geschäfte in Osteuropa kümmern. Ich halte das Engagement in Osteuropa nach wie vor für gut, in den Nuancen wird sich das dort aber verändern." Nachsatz: "Auf der anderen Seite ist die Situation prekär. Wir lernen jetzt diese Domino-Effekte, dass jemand, der in Griechenland, Italien und Rumänien besonders engagiert ist, um seine eigene Bonität in hohem Maße fürchten muss."

Rödl glaubt, dass das Thema Italien ein größeres sein könnte als Osteuropa. "Ich glaube aber, dass die Situation in Italien längst nicht so schlecht ist, wie sie dargestellt wird", sagt der Experte, der im Vorjahr mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Norditalien sei eine Wirtschaftsregion besonderer Güte, und in Italien gibt es sehr finanzstarke Familienbetriebe.

Nervöse Deutsche

"Die Italiener haben die besseren Nerven als die Deutschen. Wenn man den Deutschen sagt, da ist vielleicht etwas faul, dann fangen die zu zaudern und zu zögern an und reagieren gleich", weiß Creditreform-Sprecher Rödl. "Der Italiener reagiert nicht gleich auf den ersten Knopfdruck, sondern sagt sich, wir warten einmal ab, was sich so tut und was wir machen können." Nachsatz: "Wenn es Herrn Monti gelingt, die zweifellos in Italien vorhandene wirtschaftliche Substanz zu aktivieren, dann wird das eine gute Geschichte." Es stelle sich dabei aber eine Kernfrage: Ist der Fachmann Monti auch der Politiker, der man sein muss, um in Italien etwas durchzusetzen?