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Europa braucht Einwanderer doch

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Während die EU-Kommission an einer Strategie für die legale Einwanderung in die Union arbeitet, beharrt Österreich weiterhin auf Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt. Die neuen osteuropäischen Mitglieder fühlen sich diskriminiert, und Polen erwägt sogar Gegenmaßnahmen. Bisher hatten deutsche und österreichische Arbeitskräfte kein Problem, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Dies könnte sich ändern.


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Polnische Unternehmen fühlen sich diskriminiert. Während nämlich österreichische und deutsche Firmen in Polen profitable Aufträge lukrieren, ist polnischen Arbeitern der Zugang zu anderen Arbeitsmärkten großteils verwehrt. Österreich und Deutschland haben bei den Beitrittsverhandlungen mit den osteuropäischen Ländern auf siebenjährige Übergangsfristen bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern gepocht, andere EU-Staaten haben ebenfalls "Schutzmaßnahmen" ergriffen.

Polen hat bisher darauf verzichtet, auf die Einschränkungen mit gleichen Instrumenten zu kontern. Doch die Regierung in Warschau behält sich dieses Recht vor. "Die polnische Seite kann die gleichen Restriktionen auferlegen wie die österreichische", bestätigt auch Krzysztof Jakubi-szyn, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der polnischen Botschaft in Wien. So bleibe es den Arbeitsämtern in Polen vorbehalten, eine Arbeitserlaubnis für österreichische Arbeitskräfte auszustellen - oder zu verweigern.

Bis jetzt habe es in Polen keine Probleme mit der Erlaubnis gegeben, anders als in Österreich. "Was uns besonders schmerzt, ist die Überinterpretation", sagt Jakubiszyn. So hat Österreich nicht nur die Restriktionen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auf die neuen EU-Staaten - mit Ausnahme von Malta und Zypern - ausgeweitet. Auch die Dienstleistungsfreiheit ist eingeschränkt. So kann eine polnische Firma in Österreich gegründet werden, aber ohne polnische Arbeiter. Die Arbeiter brauchen eine Entsendebestätigung: Das Arbeitsmarktservice prüft etwa, ob der Arbeitnehmer tatsächlich bei der Firma angestellt ist oder in Polen Versicherungsbeiträge zahlt.

Doch dies kann mehrere Wochen dauern. Wochen, die ein Unternehmen oft nicht hat. Jakubiszyn bringt das Beispiel eines Unternehmens, das EDV-Probleme hatte. Mit der Wartung war eine italienische Firma beauftragt, und die hat einen polnischen Mitarbeiter geschickt. Doch dieser hätte sechs Wochen auf eine Entsendebestätigung warten müssen.

Dass die neuen EU-Bürgerinnen und Bürger in Österreich wohnen aber nicht arbeiten dürfen, findet Johannes Kopf vom österreichischen Wirtschaftsministerium keinesfalls absurd. Der Arbeitsmarkt würde einen uneingeschränkten Zuzug nicht vertragen, lautet sein Argument. Gleichzeitig verweist er auf die schrittweise Öffnung in manchen Bereichen, zum Beispiel durch das Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit Ungarn.

Aktive Migrationspolitik

Dass bei der Festlegung der Übergangsfristen auch innenpolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben, ist polnischen Verhandlern klar. Ohne Einschränkungen wäre die Zustimmung zur Osterweiterung gefährdet, hörten sie. Daher bleibt auch offen, ob die Fristen im kommenden Jahr, wenn ihre Notwendigkeit erstmals überprüft wird, aufgehoben werden können. Immerhin ist für 2006 die nächste Nationalratswahl angesetzt.

Mit seiner restriktiven Einwanderungspolitik könnte Österreich aber in einigen Jahren in Schwierigkeiten geraten. Die Bevölkerung Europas altert, mehr Arbeitskräfte sind nötig. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Strategie zur Wirtschaftsmigration. Die Vorschläge reichen bis zur Einführung flexibler Arbeitsgenehmigungen nach dem Muster der amerikanischen Green Card. "Die EU wird sich nicht gänzlich abschotten können", begründet Innenkommissar Franco Frattini. Zuwanderung sei notwendig, nicht nur wegen der demographischen Entwicklung sondern auch um das Ziel zu erreichen, zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden.

Für eine pro-aktive Zuwanderungspolitik plädiert der Migrationsexperte Rainer Münz. "Wir brauchen Migration von talentierten Personen, die wir uns aussuchen", erklärt er. Ein Teil der Zuwanderung finde sowieso statt, sie könne aber gesteuert werden. In Österreich gebe es jedoch kaum Selektionskriterien. Und Übergangsfristen können dazu führen, dass jene, die nicht illegal arbeiten wollen, nach Großbritannien oder in die USA auswandern.

Die Angst einiger Österreicher vor Arbeitsplatzverlust, kann Münz nur bedingt nachvollziehen. "Durch Zuwanderung verschwindet kein einziger Arbeitsplatz", sagt er. Die Kombination von In- und Ausländern könne notwendig sein. So sei ein Krankenhaus mit österreichischen ÄrztInnen ohne Pflegepersonal nicht funktionsfähig - mit KrankenpflegerInnen, ob in- oder ausländischen, aber sehr wohl.