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Europa, das Christkind und zwei Meinungen

Von Andreas Unterberger

Politik

+++ "Europa, der Staat, den keiner will ." | An Europabüchern herrscht kein Mangel. Dennoch gibt es in letzter Zeit wohl kein besseres als diesen gemeinsamen Band des ersten österreichischen EU-Kommissars Franz Fischler und des prominenten Publizisten und "Wiener-Zeitungs"-Kolumnisten Christian Ortner.


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Das Buch ist trotz seiner angenehm lesbaren Frage-Antwort-Form kein Dialog zwischen Journalist und Politiker, sondern der Versuch, gemeinsame Antworten auf 100 zentrale Fragen Europas zu finden. Jedoch: So manche dieser Fragen blieb dabei im Kern unbeantwortet.

Das ist kein Wunder: Sind doch beide Autoren sehr eigenständige Denker mit präzisen Zielvorstellungen. Da war es offensichtlich nicht immer möglich, eine klare gemeinsame Antwort zu finden. So wie das eben auch Europa häufig nicht schafft.

Ein gutes Beispiel ist die Analyse der sogenannten Lissabon-Ziele der EU: In erfrischender Klarheit werden diese vielgelobten Beschlüsse des Jahres 2000 gegeißelt. Damals habe man einfach alle Wunschvorstellungen über die Zukunft Europas zusammengefasst. "Kein Wunder, dass sich dieser Zielkatalog dann wie ein Brief an das Christkind liest." Die Bewahrung des Sozialmodells und der Umwelt ist halt nicht mit dem gleichzeitigen Ziel eines Wohlstands- und Wirtschaftswachstums vereinbar, das Europa zur wettbewerbsstärksten Region der Welt machen soll, wie man es in Lissabon formuliert hat.

Nur: Für welche Priorität sich Europa in diesem Dilemma entscheidet, darauf haben auch die beiden keine klare Antwort gefunden, zumindest keine gemeinsame. Ebenso ist bei Themen wie Landwirtschaft, Föderalismus oder Irak-Krieg ein verdeckter Dissens spürbar.

Mutige Aussagen über das Agrarbudget

Daneben finden sich aber auch sehr interessante und mutige gemeinsame Aussagen über die Zukunft Europas: so etwa den Hinweis, dass es heute möglich wäre, die Agrarbudgets wieder zu nationalisieren; dafür sollte man die Forschungsausgaben europäisieren.

Ein Buch, das die Europadebatte mehr belebt als andere. Dennoch wären ein wirkliches Streitgespräch oder zwei Monologe der beiden Herren wohl noch spannender geworden.

Franz Fischler, Christian Ortner

Ecowin Verlag

220 Seiten, 19,90 EUR

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