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Studie zeigt wachsende gesellschaftliche Ungerechtigkeit in den meisten EU-Staaten.
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Brüssel. Die soziale Kluft in Europa wird tiefer. Und daran ändert die langsame wirtschaftliche Stabilisierung nur wenig. Denn das Niveau an sozialer Gerechtigkeit habe in den vergangenen Jahren in den meisten EU-Staaten abgenommen, wobei sich das Nord-Süd-Gefälle verstärkt habe. Zu diesem Ergebnis kommt die deutsche Bertelsmann Stiftung in einer aktuellen Untersuchung. Diese umfasste Bereiche wie Armutsvermeidung, Bildungschancen, Zugang zum Arbeitsmarkt, Zusammenhalt in der Gesellschaft und zwischen den Generationen.
Dabei zeigt sich einmal mehr die Schieflage zwischen den wohlhabenden Mitgliedern im Norden - wie Schweden, Finnland oder Niederlande - und zahlreichen süd- sowie südosteuropäischen Staaten. In Griechenland, Spanien oder Ungarn habe die Ungerechtigkeit zugenommen. "Vor allem in den Krisenstaaten der EU ist es nicht gelungen, die teils massiven Einschnitte sozial gerecht aufzuteilen", befinden die Studienautoren. Jüngere Menschen seien dabei tendenziell stärker betroffen: Mittlerweile seien EU-weit bereits 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut oder gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht - und das liegt über dem generellen EU-Schnitt.
Doch auch wenn ein Land kein rigides Sparprogramm zu erfüllen hat, ist ökonomischer Wohlstand allein keine Garantie für soziale Gerechtigkeit. Diese ist beispielsweise in Tschechien, Slowenien und Estland vergleichsweise hoch, obwohl die Länder nur eine mittelmäßige Wirtschaftsleistung aufweisen. So sind in Tschechien die Maßnahmen zur Armutsvermeidung wirkungsvoll, und Estland erhält gute Noten im Bildungsbereich. Umgekehrt ist die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in Irland mit jener Deutschlands oder des Listenführers Schweden vergleichbar. Bei der sozialen Gerechtigkeit hingegen ist das Land unteres Mittelmaß.
Österreich behauptet sich
Österreich konnte laut der Untersuchung "seine sozialen Errungenschaften im Wesentlichen" erhalten. Es schließt - trotz leichter Verluste im Vergleich zu 2008 - gleich an die Spitzengruppe an und findet sich auf Rang sechs wieder. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Daten zum Arbeitsmarktzugang in keinem Land besser sind und die Arbeitslosenrate weiterhin niedrig ist. Als einen der Erfolgsfaktoren wertet die Bertelsmann Stiftung dabei die Kooperation zwischen den Sozialpartnern samt dem System der dualen Ausbildung.
Im Bereich der Bildungschancen insgesamt nimmt Österreich jedoch nur Platz 16 ein. Und noch negativer fällt der Indikator für den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg von Schülern auf. Der ist nämlich noch immer hoch.
Generell plädiert das deutsche Institut dafür, das Thema soziale Gerechtigkeit deutlich stärker ins Zentrum der europäischen Politik zu rücken. Die Union dürfe nicht nur als Hüter der wirtschaftlichen Stabilität wahrgenommen werden. Gesellschaftliche Ungerechtigkeit gelte es ebenso zu bekämpfen. Denn auch eine wachsende soziale Kluft gefährde das Projekt der Integration.