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Europa geht anders!

Von Alexandra Strickner

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Alexandra Strickner ist Obfrau von Attac Österreich und Mitinitiatorin der Plattform "Europa geht anders!" gegen den EU-Wettbewerbspakt (www.europa-geht-anders.eu).

Der EU-Wettbewerbspakt gefährdet Demokratie und soziale Sicherheit in Europa.


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Die Menschen in Europa befinden sich in der Mitte eines verlorenen Jahrzehnts. 26 Millionen Menschen haben keinen Job, rund 10 Millionen mehr als vor der Finanzkrise. Diese Krise ist das Ergebnis einer neoliberalen Politik, die auf den Wettbewerb der Staaten, Marktgläubigkeit und unregulierte Finanzindustrie setzte. All das ist seit vielen Monaten bekannt und diskutiert.

Die Reaktion der Europäischen Union? Eine folgenschwere Kürzungspolitik, formuliert von neoliberal orientierten Staats- und Regierungschefs, Unternehmerverbänden, der Finanzindustrie, Teilen der EZB und der EU-Kommission. Dabei werden öffentliche Ausgaben eingeschränkt, Sozialleistungen abgebaut, Privatisierungen vorangetrieben, Lohnsenkungen forciert und Arbeitnehmerschutz aufgeweicht. Große Vermögen und Unternehmensgewinne bleiben hingegen unangetastet. Mit der wachsenden Ungleichheit wird eine der zentralen Krisenursachen weiter verschärft.

Mehrere in den vergangenen Monaten verabschiedete EU-Rechtsakte und Verträge wie etwa der Fiskalpakt verpflichten die Mitgliedsländer zu weiteren drastischen Einschnitten. Die EU-Kommission kann nun automatische Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten erlassen, wenn die von nationalen Parlamenten beschlossene Wirtschaftspolitik nicht den Vorgaben der Kommission entspricht. Weil das demokratisch kaum durchzusetzen wäre, werden dafür ordnungsgemäß vorgesehene Verfahren und das Europäische Parlament umgangen.

Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann. Geht es nach Kanzlerin Angela Merkel und der EU-Kommission, sollen sich beim Gipfel des Europäischen Rates im Juni alle Mitgliedsstaaten in bindenden "Verträgen für Wettbewerbsfähigkeit" zu "Strukturreformen" verpflichten, unabhängig davon, ob Budgetdefizite bestehen oder nicht. Ein Blick nach Südeuropa zeigt, was mit Strukturreformen gemeint ist: Lohn- und Pensionskürzungen, längere Arbeitszeiten, Privatisierungen, Kürzungen im Bildungswesen und im Gesundheitssystem. Für die Umsetzung sollen die Mitgliedsländer nach derzeitigen Plänen auch noch finanziell belohnt werden. Umgekehrt drohen bei Nichtumsetzung letztlich Sanktionen in Form von Geldbußen.

Doch immer mehr Menschen wehren sich gegen dieses Vorhaben einer "Troika für alle" und die Aushöhlung der Demokratie. Die internationale und überparteiliche Plattform "Unser Europa geht anders" fordert nicht nur eine Absage der Regierungen an den Wettbewerbspakt, sondern einen generellen Kurswechsel in Europa. Es braucht Lösungen, die an den Ursachen der Krise ansetzen. Dazu zählen faire Einkommen und höhere Gewinn- und Vermögensbesteuerung, eine effektive Regulierung der Finanzmärkte, ein Ende des Lohndumpings der "Exportweltmeister", die Stärkung von Arbeitnehmerrechten, die umfassende Demokratisierung der europäischen Wirtschaftspolitik und Investitionen in den ökologischen Umbau der Wirtschaft.

Ohne diesen radikalen Kurswechsel hin zu einem sozialen und demokratischen Europa der vielen wird die europäische Integration scheitern.