Zum Hauptinhalt springen

Europa - Griechenland - Verantwortung

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Die Unfähigkeit der Eurozone, den Misserfolg ihrer eigenen Politik zuzugeben und anlässlich Griechenlands zu ändern, ist evident.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Medien sind voll davon, wie die europäischen Verhandlungspartner enttäuscht, beleidigt, angefressen sind - verständlich, da sechs Monate endloser und viel zu häufiger Verhandlungsrunden im Nichts geendet sind. Die Eurozone steht vor einem politischen Desaster, Griechenland vielleicht vor der Staatspleite, die von Syriza diagnostizierte "humanitäre Katastrophe" hat sich seit Amtsantritt der Regierung noch verschärft, die Wirtschaft ist zum Stillstand gekommen, fast 100 Milliarden Euro (40 Prozent des griechischen Nationalprodukts) sind unter Matratzen oder ins Ausland verschwunden. Griechenland hat den Verhandlungstisch verlassen und hält ein Referendum ab - worüber, ist fraglich, es gibt ja kein "Programm der Institutionen" mehr.

Schuldzuweisungen nützen nichts. Auf der einen Seite hat das Fehlen des "European Spirit" die ökonomisch gegenproduktiven und Ideologie-getriebenen Forderungen der Eurozone (Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Tourismusleistungen und Medikamente, Ablehnung einer höheren Körperschaftsteuer) verhärtet, andererseits haben die ewigen Belehrungen aus Griechenland über die "richtige" Wirtschaftspolitik der Eurozone die Ohren der "Partner" eher verschlossen als neuen Erkenntnissen zum Durchbruch verholfen. Abseits aller innergriechischen Legitimationsprobleme haben Yanis Varoufakis und Alexis Tsipras recht, dass die Austeritätspolitik für alle Euroländer grundsätzlich falsch, für Griechenland aber verheerend war und - neben siebenjähriger Stagnation und viel höherer Arbeitslosigkeit - die Schuldenquote nicht nur nicht reduziert, sondern sogar noch erhöht hat.

Der US-Finanzminister, der deutsche Altmeister Helmut Schmidt, sogar der IWF-Chefökonom (aber nicht die IWF-Abgesandten in den "Institutionen") und viele andere Besonnene forderten die Euro-Finanzminister mehrfach auf, das Zerbrechen der Eurozone, den massiven Rückschritt im Integrationsprozess zu verhindern und den Griechen - im Interesse der europäischen Idee - stärker entgegenzukommen. Zugegeben, persönlich wäre das für die Finanzminister schwierig gewesen, angesichts der intransigenten und sprunghaften griechischen Verhandlungsstrategie. Jetzt sieht es aus, als ob das Prinzip, sich von Griechenland, einem 1,8-Prozent-Mini in der Eurozone, und vom arroganten Herrn Varoufakis nicht vorführen zu lassen, Oberhand gewonnen hätte. Das Argument, dass die Balten, Irland, Portugal und Spanien schon die bitteren Pillen, die Griechenland verschrieben wurden, geschluckt hätten, daher deren Bevölkerungen eine Vorzugsbehandlung Griechenlands nicht zuzumuten war, greift nicht. Die Unfähigkeit der Eurozone, den Misserfolg ihrer eigenen Politik zuzugeben und anlässlich Griechenlands zu ändern, ist evident. Oder geht es darum, dass ein "linksextremer" Außenseiter ins Eck gestellt werden soll, damit die eigenen Parteifreunde in den anderen Ländern ihre verbohrte Wirtschaftsideologie ungestört weiter verfolgen können? Aber so erfolgreich waren die mainstreamigen Regierungen Papandreou und Samaras in Griechenland ja auch nicht. Die Syriza-Regierung ist jedenfalls mit kräftigem eigenen Zutun voll ins offene Messer gelaufen. Zahlen dafür werden ihre griechischen Wähler und Europa. Eine Schande.