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Europa im Währungsdilemma - Wenn zwei sich streiten, trifft es den Dritten

Von Stefan Melichar

Analysen

Bis vor kurzem war der sogenannte Währungsstreit weitgehend eine Angelegenheit zwischen den USA und China. Jetzt, da es weltweit darum geht, sich den mühsamen Weg aus der Wirtschaftskrise nicht von einer ungünstigen Wechselkursentwicklung blockieren zu lassen, ist es jedoch Europa, das als Verlierer übrig bleiben könnte. | Seit Juni werten Dollar und Yuan Hand in Hand gegenüber dem Euro ab. Dies schadet der Exportindustrie der Eurozone, die durch die verschlechterte Umrechnung automatisch weniger Einnahmen hat. Erhöhen die Unternehmen jedoch ihre Preise, um den Wechselkurs auszugleichen, verlieren sie Marktanteile an Konkurrenten aus anderen Währungsräumen.


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Der Grund für die Entwicklung liegt auf der Hand: In den USA wird seit Wochen über neue Wirtschaftshilfen diskutiert. Das vertreibt ängstliche Investoren, an den Devisenmärkten sinkt die Nachfrage nach dem Dollar, und der Greenback verliert an Wert.

In der Eurozone wird hingegen bereits darüber spekuliert, wann die Europäische Zentralbank wieder ihre Zinsen anheben könnte. Die Aussicht auf höhere Zinsen lockt Anleger, die Nachfrage nach der Einheitswährung steigt, und der Euro legt an Wert zu. Da China seine Währung weitgehend an den Dollar koppelt, wertet auch der Yuan gleichzeitig gegenüber dem Euro ab.

Dass die Dollarschwäche nur ein Nebenprodukt der Konjunkturprobleme in den USA ist, wollen manche Experten dabei nicht so recht glauben. Der ehemalige Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, verwies kürzlich auf die anstehenden Kongresswahlen in den USA. Da kommt eine Währungsabwertung gerade recht, schließlich handelt es sich dabei um ein Konjunkturpaket zum Nulltarif.

Die Gefahren dieses Handelns sollten jedoch nicht unterschätzt werden: China ist bereits dazu übergegangen, den eigenen Währungsprotektionismus damit zu rechtfertigen, dass die Vereinigten Staaten selbst auf der Abwertungsschiene unterwegs sind. Da Abwertungen jedoch zwangsläufig zulasten anderer gehen, müssen diese nachziehen. Japan ist in dieser Spirale nach unten mit seinen Deviseninterventionen schon gescheitert. Südamerikanische Staaten kämpfen noch mit verschiedenen Mitteln um eine Aufrechterhaltung ihrer Wechselkurse zum Dollar.

Unbestritten ist, dass es in Schwellenländer wegen des stärkeren Wachstums zu Währungsaufwertungen kommen sollte. Ob eine von den USA aus Eigennutz induzierte Radikalkur das richtige Mittel ist, kann jedoch hinterfragt werden.

In der Eurozone zeigen sich durch die Entwicklung umso mehr strukturelle Schwächen. Kommen wettbewerbsstarke Länder wie Deutschland oder auch Österreich einigermaßen mit der Situation zurecht, verschärft sich die Lage in Problemstaaten wie Griechenland oder Spanien. Gäbe es dort noch eine eigene Währung, hätten sie diese selbst schon längst abgewertet.

Siehe auch:Leise EU-Kritik an den Abwertern