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Plassnik im "WZ"-Interview: "Wollen rot-weiß-rote Politik machen." | Übergangsfristen am Arbeitsmarkt bleiben aufrecht. | "Wiener Zeitung":Waren die Umzugskartons in der Vorwoche schon gepackt oder haben Sie gewusst, wo Ihr Arbeitsplatz heute sein wird?
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Ursula Plassnik: Ich habe bereits nach der Wahl meine Unterlagen gepackt und war bereit, dieses Amt zu verlassen.
Seit wann wussten Sie, dass Sie bleiben?
Seitdem mich die Partei und der heutige Vizekanzler darum gebeten haben, beim Parteivorstand am Dienstag.
Zwischen Ihnen und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel war immer Harmonie spürbar, eine Position wurde immer gemeinsam vertreten. Wird es mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ähnlich einvernehmlich?
Es wäre gut für das Land, mit einer Stimme zu sprechen. Wir haben ein tragfähiges Programm, das unsere Leitlinien festlegt. Schon während der Koalitionsverhandlungen habe ich die Wertschätzung für die Arbeit des Außenministeriums gespürt. Wir wollen eine Politik machen, die nicht schwarz oder rot ist, sondern rot-weiß-rot.
Im Wahlkampf hatte Außenpolitik wenig Platz. Auch im Regierungsabkommen fällt das Kapitel magerer als andere aus. Dort wird auch betont, die EU solle nur jene Aufgaben wahrnehmen, die "wirklich besser gemeinschaftlich" zu lösen seien. Wie soll die Europäische Union gestärkt werden, wenn immer mehr Staaten immer mehr auf ihre nationalen Interessen pochen?
Ich sehe das nicht so. Im Wahlkampf ist bei den Themen zwar nicht "Achtung, Außenpolitik!" gestanden. Aber es ist viel um die Stellung Österreichs in der globalisierten Welt gegangen: um Zuwanderung, um sozialen Zusammenhalt, um die Türkei. Zum anderen hat die Europäische Union bereits eine hohe Integrationsdichte erreicht, es gibt einen enorm umfangreichen gemeinsamen Rechtsbestand. Aber Regelungen auch auf der nationalen Ebene treffen zu können, ist ein Gebot der Vernunft, das hat nichts mit einer antieuropäischen Haltung zu tun.
Stehen nicht gerade bei den Themen Zuwanderung und Türkei innenpolitische Überlegungen im Vordergrund?
Eine scharfe Trennung zwischen innen und außen ist in einer modernen Welt nicht mehr zulässig. Wir werden selber einen Akzent setzen und das Amt nicht mehr Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten nennen, sondern Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Da kommt die Verwobenheit besser zum Ausdruck. Europa ist ja nichts Fremdes; wir sind Europa.
Wie wollen Sie das der Bevölkerung erklären? So haben die Österreicher von der Erweiterung wirtschaftlich stark profitiert, sind aber sehr skeptisch gegenüber der Vergrößerung der Union.
Mein Angebot ist: Europa als Chance. Wir wollen das Vertrauen in das europäische Projekt stärken, gemeinsam neue Wege der Vermittlung suchen. Wichtig ist nicht eine billige Europa-Euphorie sondern klarzumachen, dass es zur EU keine lebbare Alternative gibt. Das haben ÖVP und SPÖ rasch vereinbart, dabei wollen beide Parteien in dieselbe Richtung gehen.
Ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik ist der Westbalkan. In Serbien stehen nun Wahlen an, bald wird auch der Plan zum künftigen Status des Kosovo präsentiert. Die Situation ist angespannt, ultranationalistische Tendenzen steigen. Was kann Österreich tun?
Wir waren diejenigen, die in der EU im Vorjahr das Augenmerk immer wieder auf Serbien gelenkt haben. Ich habe unmittelbar nach meiner Angelobung meinen Kollegen Vuk Draskovic angerufen und möchte nächste Woche, noch vor den Wahlen, nach Serbien fahren, um ein Regionalförderungsprogramm für die Vojvodina zu präsentieren. Es geht um Sichtbarkeit und darum, den europäischen Weg glaubhaft zu machen. Mein Ziel ist, bis Ende des Jahres mit sämtlichen Ländern des Balkan ein Vertragsverhältnis zu haben. Das ist jetzt nicht der Fall: So hat die EU die Verhandlungen mit Serbien gestoppt, weil es nicht mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammen arbeitet.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier möchte die Präsenz seines Landes im Kosovo verstärken. Denkt Österreich ebenfalls daran?
Wir sind im Kosovo wie in Bosnien auch im Sicherheitsbereich sehr engagiert. Wir haben dort große Erfahrung einzubringen und werden dies auch weiter tun. Und wenn es eine Notwendigkeit gibt, Verstärkungen vorzunehmen, werden wir darüber entscheiden. Generell arbeitet die EU daran, ihre Präsenz zu zeigen und wird diese jedenfalls im zivilen Bereich verstärken.
Die europäische Perspektive sei wichtig zur Wahrung der Stabilität, heißt es immer wieder. Gilt das Argument nicht auch für die Türkei?
Das Argument der Stabilität ist uns voll bewusst. Das ist auch der Grund, warum wir seit vierzig Jahren an unserer Beziehung zur Türkei arbeiten. Wir sind 2005 in eine neue Etappe des Verhandlungsprozesses eingetreten, und jetzt liegt es an der Türkei, diesen Weg zu beschreiten, Reformen umzusetzen und abgegebene Zusagen einzuhalten.
Im Regierungsabkommen ist von einer "maßgeschneiderten türkisch-europäischen Gemeinschaft" die Rede. Ist das eine andere Bezeichnung für die privilegierte Partnerschaft, die Ankara immer abgelehnt hat?
Österreich hat sich dafür eingesetzt, nicht ausschließlich das Beitrittsziel zu fixieren sondern auch andere mögliche Lösungen ins Auge zu fassen. Das ist keine antitürkische Haltung sondern die Frage, was lässt sich in einem realistischen Zeitraum erreichen. Aus unserer Sicht ist es klüger, realistische Ziele zu setzen, ohne deswegen die Türe zuzuschlagen. Wir sollten einander nicht überfordern - weder die Türkei die EU noch die EU die Türkei.
Die EU will ihre Energieversorgung auf eine breitere Basis stellen. Ist das ohne ein EU-Mitglied Türkei denkbar?
Selbstverständlich. Es muss ja nicht so sein, dass andere Länder Mitglied der Union werden, damit diese ihre Quellen diversifizieren kann. Die Türkei spielt eine große Rolle als regionale Macht und enger Partner.
...braucht aber nicht EU-Mitglied zu werden.
Eine andere Möglichkeit, unterhalb der Beitrittsschwelle, sollte nicht ausgeschlossen werden. Ich kann jetzt noch nicht ernsthaft beurteilen, ob die Türkei eines Tages Mitglied sein wird oder nicht. Das ist für mich persönlich offen.
Bei der Energieversorgung möchte die EU unabhängiger von Russland werden. Andererseits will die österreichische Regierung die Abhängigkeit der EU von der Nuklearenergie verringert haben. Wie lässt sich das vereinbaren?
Die europäische Energiepolitik ist eine der größten Zukunftsherausforderungen. Und es ist gut, dass nun die verschiedenen Möglichkeiten und Notwendigkeiten diskutiert werden. Wir sind aber von Lösungen noch weit entfernt. Es gibt die freie Wahl des Energieträgers, und in Österreich sind wir der Meinung, dass Nuklearenergie keine nachhaltige Lösung ist. Wir werden mit Nachdruck verfolgen, was in den Bereich der erneuerbaren Energie gehört und die Energieeffizienz als europäisches Thema forcieren.
Steht Österreich mit dieser Position nicht ziemlich allein da? Wie können Sie andere Länder dafür gewinnen?
Indem wir konstant das Thema ansprechen, unsere Besorgnis zum Ausdruck bringen, Überzeugungsarbeit leisten. Natürlich gibt es schmerzhafte Punkte. So sind in Bohunice und Kosloduj zu Jahresanfang Reaktoren stillgelegt worden, und das wird in den betroffenen Ländern - der Slowakei und Bulgarien - auch als schmerzhafter Einschnitt empfunden. Aber das war die Vereinbarung mit der EU. Nukleare Sicherheit ist ein ernstes Thema, nicht nur für die Bevölkerung Österreichs sondern Europas.
Wie lässt sich die Internationalisierung der Wirtschaft, im Regierungsabkommen als Ziel fixiert, mit Beschränkungen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vereinbaren?
Wir haben die Übergangsfristen in Anspruch genommen, um einen Beitritt unserer Nachbarstaaten zur EU sicherzustellen. Es wäre schöner, ohne Fristen auszukommen, aber die Lage am Arbeitsmarkt erlaubt das nicht.
Auch die neue Regierung möchte also die Übergangsfristen zumindest bis 2009 aufrechterhalten?
Daran hat sich nichts geändert.
+++ Zur Person:
Vor zwei Tagen wurde Ursula Plassnik (ÖVP) zum zweiten Mal als Österreichs Außenministerin angelobt. Die 50-jährige Klagenfurterin war 1981 in den Diplomatischen Dienst eingetreten, 1997 ernannte sie der damalige Außenminister Wolfgang Schüssel zu seiner Kabinettschefin. Im Jänner 2004 ging die Juristin als Botschafterin in die Schweiz, zehn Monate später holte sie Schüssel - damals schon Bundeskanzler - ins Wiener Außenamt zurück. Plassnik war zwei mal verheiratet.