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Der EU-Lobbyist Paul Schmid bemühte sich jüngst in einem Gastkommentar um einen überzeugenden Verkauf der EU und ihrer Institutionen. Doch die Gleichsetzung von Europa und EU gehört zu jenen Überheblichkeiten, die von Bern über Oslo bis Kiew gar nicht gut ankommen. Und Österreich wählt den Bundespräsidenten - wie es mit der Europa-Gesinnung in Österreich aussieht, ist ohnehin den laufenden Umfragen zu entnehmen.
Losgelöst von Wahlkämpfen ist Fakt, dass das Maastricht-EU-Europa sich in schwieriger Verfasstheit befindet. Man muss nicht als Bundespräsident kandidieren, um zu erkennen, dass diese EU nicht funktioniert. Der anerkannte deutsche Philosoph Peter Sloterdijk meinte kürzlich, man müsse europäische Zentralstaatsfantasien wohl für die kommenden Jahrzehnte vergessen und solle froh sein, etwa Charles de Gaulles Konzept des Europas der Vaterländer zu retten. Es waren die letztklassigen politischen Eliten der Jahrtausendwende von Gerhard Schröder über Silvio Berlusconi, Jacques Chirac und Wolfgang Schüssel bis Tony Blair, die es verabsäumten, die politischen Visionen ihrer Vorgänger von einem starken Europa in Frieden in organisatorisch und regulativ brillante Aufstellung zu bringen. In ziellosen Neugestaltungswahn gingen die EU-Institutionen daran, die Nationalstaaten und ihre Systeme speziell im Währungs- und Sicherheitsbereich zu zerschlagen, ohne aber an deren Stelle ein funktionierendes europäisches Modell zu setzen.
Das Maastricht-Europa war schlecht vorbereitet, die EU-Kommission stellt allzu oft das Protobeispiel einer hochnäsigen, bürgerfernen und darüber hinaus konzeptionell schwachen Herrschaftsbürokratie dar, mit einem umfassenden Drang zu Mikro-
Management und zum Drüberfahren über die Menschen.
Der Euro brachte sinkende Einkommen samt Ungleichheit, aus Europäern von Griechenland bis Finnland wurden Gläubiger und Schuldner, feindseliges Denken zog ein. Statt Integration erleben wir Segregation und Auseinanderentwicklung. Dieses Scheitern an der strategisch-operativen Schnittstelle von Politik gefährdet ein Europa der Bürger. Die Europäer sind nach wie vor - mental und real - im Nationalstaat. Reisen mit wenigen Grenzkontrollen - was nicht krisenresistent aufgestellt wurde - und eine gemeinsame Währung schaffen in einer Welt der Kreditkarten und Smartphones noch kein Europa-Gefühl, nationale Identitäten bleiben Orientierungsrahmen für das politische Denken.
Das gemeinsame Europa soll Ziel und Perspektive bleiben. Europa ist aber mehr als die Vielheit einheitlicher Konsumgüter-Labels, es bedarf eines umfassenden geistigen Konzeptes, das Orientierung, Identifikation und Motivation schafft. Die Einheit in Vielfalt ist anspruchsvoll, bringt aber allein die mentale Kraft, im Wettbewerb der Welt zu bestehen.
Europa ist mehr als die EU - das Maastricht-Europa brachte die EU auf Kurs EU-Staat. Euro und Sicherheitssysteme überzeugen nicht - ein Reset ist notwendig, denn ein gemeinsames Europa soll Ziel und Perspektive bleiben.