)
Das Scheitern des EU-Gipfels in Brüssel hat bei den zehn EU-Neumitgliedern Enttäuschung und Unverständnis ausgelöst. In einer Aufsehen erregenden Initiative hatten Litauen, Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn vergeblich versucht, die wesentlich reicheren Staaten mit einem Verzichtsangebot in letzter Minute doch noch zu einem Kompromiss für die Finanzplanung 2007-2013 zu bewegen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der polnische Regierungschef Marek Belka sagte, Schuld am Scheitern des Gipfels trage der "Egoismus in den reichen EU-Staaten". Er habe mit seinem Angebot auf den Verzicht einiger von Polen erhoffter Leistungen zeigen wollen, dass für die Polen Europa nicht nur "ein Berg voller Geld" sei, unterstrich Belka am Sonntag.
Ähnlich drückte es der slowakische Regierungschef Mikulas Dzurinda aus: "Als wir gehört haben, dass zu einer Einigung eine Milliarde Euro fehlen, haben wir angeboten, das Geld zusammenzubringen." Der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany sagte: "Wir wollten jenen Ländern, die eine Einigung verhinderten, weil sie bis zum Letzten auf ihrem Standpunkt beharrten, ein Beispiel geben."
In der EU herrsche eine Krise, aber es sei keine Krise der Institution, betonte Belka. Es sei nicht ungewöhnlich, 18 Monate vor Ablauf des aktuellen Haushalts kein neues Budget fertig zu haben. "Was beunruhigend ist, ist die Atmosphäre unter den Menschen", sagte Belka. "Wir brauchen nicht nur Nachdenklichkeit, wir brauchen eine aktive, ernsthafte Debatte. Europa braucht zudem Führung."
Der tschechische Ministerpräsident Jiri Paroubek sagte, die EU habe offenbar "ihre Erweiterung noch nicht verkraftet". Der Abbruch der Verhandlungen sei "eine große Enttäuschung", unterstrich der Sozialdemokrat: "Was (der britische Premierminister) Tony Blair hier aufgezeigt hat, führt zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten." Außenminister Cyril Svoboda sagte, die EU stehe nun vor der Frage, "ob sie nur auf der Basis eines gemeinsamen Marktes existieren oder eine politische Dimension behalten möchte, die das Prinzip der Solidarität anerkennt".
Enttäuscht zeigte sich auch Gyurcsany: "Allen Anzeichen nach ist Europa müde. Seine alten Ideale beflügeln es nicht mehr, hinsichtlich neuer Ideale ist es verunsichert." Der litauische Ministerpräsident Algirdas Brazauskas bedauerte: "Leider waren einige Länder nicht bereit zu Kompromissen, deshalb musste die Entscheidung verschoben werden." In Estland setzte Ministerpräsident Andrus Ansip auf Zeit: "Die EU braucht im Moment Zeit zur Selbstkritik, weil die zwei "Nein"-Entscheidungen aus Frankreich und den Niederlanden die öffentliche Meinung stark beeinflusst haben."