Wer mit dem Auto von Wien nach Tallinn, in die Hauptstadt Estlands, fährt, kann dies ohne Reisepass tun. Das Schengen-Abkommen macht es möglich. Kommendes Jahr sollen die beiden jüngsten EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien auch dazu kommen.
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Deren laxer Umgang mit dem organisierten Verbrechen (und mit der dazugehörigen Korruption) befördert nun die Diskussion, die Grenzkontrollen in diese Länder über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechtzuerhalten.
Wenn diese Warnung als politischer Druck zu verstehen ist, mag sie ihre Berechtigung haben. Die Befürchtung, dass es daneben auch weniger rechtsstaatlich motivierte Beweggründe gibt, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Frankreich begann die Debatte, die Regierung in Paris schmeißt aber gerade Roma aus dem Land. Die meisten stammen aus Rumänien und Bulgarien. Nun mag es sein, dass Frankreich sich organisierter Banden entledigen will, aber die politische Aufbereitung der Sarkozy-Regierung stellte alle Roma in den Generalverdacht, Gauner zu sein. Mit der größten Minderheit Europas so umzugehen, ist nicht nur ungehörig, sondern ein Verstoß gegen Menschenrechte und die Ziele der EU.
Rumänien und Bulgarien nicht in die grenzenlose Schengen-Zone zu integrieren, könnte 2011 noch ein Problem kreieren: Im nächsten Mai fallen die geltenden Arbeitsmarkt-Beschränkungen für die osteuropäischen Länder. Es gibt auch in Rumänien und Bulgarien gut ausgebildete Menschen, die in ihren Ländern entweder wenig Job-Chancen haben oder sehr schlecht verdienen. Gerade sie würden die Lust verlieren, wenn sie bei (vermutlich häufigeren) Besuchen in der Heimat endlose Staus an der Grenze vorfänden.
Europa muss bei der Debatte um den Schengen-Beitritt der beiden - recht flott aufgenommenen - Länder aufpassen, nicht das eigene Fundament zu unterspülen. Personen- und Erwerbsfreiheit sind zentrale Pfeiler davon. Wenn es ausschließlich gegen unkontrollierte Korruption und Kriminalität geht, ist es gut. Wenn es aber niedere Gründe dafür gibt, führt sich die - zuletzt ohnehin schlingernde EU - Stück für Stück ad absurdum.